Saisonal versuppt

Überall Kürbisse! Der Klassenclown aus der Gemüseabteilung dient als wärmendes Süppchen, zur Zierde von Fensterbänken und nicht zuletzt, ausgehöhlt und beleuchtet, als Grusel-Quatsch zu Halloween. Dabei stand es Jahrtausende lang gar nicht gut um den Ruf des Kürbisses. Seneca ließ in einer albernen Satire den Kaiser Claudius nach dessen Tod nicht zum Gott, sondern zum Kürbis werden. Das Stück, von Verachtung getrieben, ist nicht gut, aber damit gerade gut genug, um den Kürbis literarisch zu verewigen.

 

Denn taugt der Kürbis tatsächlich zu mehr, als antiken Diktatoren posthum eins drüber zu geben? Manch einer will — vielleicht nach dem Genuss einer der enttäuschenden Kürbissuppen, die nun allerorten Konjunktur haben — dem Kürbis wohl selbst gern eins drüber geben. Rund zweitausend Jahre nach Seneca durfte man der Grunge-Band Smashing Pumpkins freundlich unterstellen, dass sie solch schlechte Kürbis-Erfahrungen gemacht hatte.
Da ist ja nicht nur Halloween. Da sind ja ebenfalls die notorischen Zuchtwettbewerbe, bei denen schon Exemplare mit einem Gewicht von knapp zehn Zentnern auf die Waage gehievt wurden. Kann es eine hemmungslosere Feier der Plumpheit geben?

 

Und doch steht heute der Kürbis hoch im Kurs. Zum einen, seit das trist-besinnliche Allerheiligen vom Schockspaß Halloween abgelöst wurde. Zum anderen, weil zur Jahrtausendwende der japanische Hokkaido-Kürbis seinen Siegeszug antrat. Tatsächlich gehört er noch zum besten, was man als Kürbis bekommen kann. Und doch ist auch der Hokkaido, ähnlich wie Gurke und Melone, mit denen der Kürbis verwandt ist, kulinarisch höchst heikel.

 

Dass selbst seine Fürsprecher dem Aroma des Hokkaido nicht trauen, zeigen die vielen Rezepte, die ihn als Suppe zurichten. Wenn Seneca noch von der »Verkürbissung« des Claudius schrieb, so könnte man heute eine Satire auf die »Versuppung« des Kürbisses abfassen.

 

Dabei wird der ohnehin schwache Eigengeschmack mit Sahne noch weiter geglättet, bloß um danach mit Chilischoten, Kreuzkümmel oder Ingwer neu aromatisiert zu werden — ein absurdes kochtechnisches Pingpong.

 

Das Beste, was man mit dem Kürbis machen kann, ist ihn nicht zu zermatschen und ihn nicht zu überwürzen. Dann ist er — in Stücke geschnitten und schonend gegart in Topf oder Ofen — ein akzeptables Gemüse. Auch als Rohkost mag der Hokkaido in Salaten einen Zweck erfüllen, immerhin kann man ihn ungekocht essen.

 

Aber anders als püriert scheint der Kürbis heute kaum noch denkbar. In den großen Städten sollen selbst Milchkaffees mit Kürbispüree Abnehmer gefunden haben. Das ist vielleicht der beste Beleg für die groteske Bedingungslosigkeit, mit der heute alles Saisonale wertgeschätzt wird.