Premiere in Köln: Oppenheim-Esch hat beim Opern-Interim das Nachsehen | Foto: Manfred Wegener

Zocken, bis der Akku streikt

Die Oper zieht ins Staatenhaus.

Nach zähem Ringen setzte sich Intendantin­ ­Birgit Meyer durch

Nach dem Desaster ist vor dem Desaster. Das war beim Archiv­ein­sturz und der Stiftung Stadt­ge­dächt­nis so, das ist beim Sanierungschaos der Bühnen so. Im Hauptausschuss hatte die Politik am 17. September über die Interimsspielstätten für Oper und Schauspiel zu entscheiden, nachdem die Wiedereröffnung am Offenbachplatz fürs erste geplatzt ist. Während das Schauspiel weiter im Depot in Mülheim bleiben kann, standen für die Oper zwei Orte zur Auswahl: Das Staatenhaus in Deutz, vertreten durch die BB Group GmbH, und die Filmstudios der Magic Media Company (MMC) in Ossendorf. Die Politik hatte den Bewerbern eine Frist bis zum 14.?September für ihre Angebote gesetzt; die Verwaltung daraufhin eine Vorlage erarbeitet — business as usual, so schien es. Doch der Hauptausschuss entwickelte sich zu einer grotesken Bieterschlacht. Bereits um 14 Uhr unterbot MMC ihr erstes Angebot um 500.000 Euro. Eine Stunde später traten die Politiker zusammen und unter­brachen ihre Sitzung sofort wieder, um den Basar zu eröffnen. Es wurde gezockt, was der Akku hergab. Die BB Group zog mit einem Nachlass von 400.000 Euro nach. Dass MMC das eigene Angebot um weitere 150.000 Euro unterbot, wurde gar nicht mehr berücksichtigt: Mit den Stimmen von SPD und Grünen fiel die Entscheidung für die BB Group und das Staatenhaus. Dies entspreche nicht den »Usancen des ehrbaren Kaufmanns«, weinte SPD-Fraktionschef Martin Börschel danach ein paar Krokodilstränen, während sein Kollege Jörg Frank von den Grünen offen triumphierte: »Wir haben einen immensen Vorteil herausgeholt.« Doch selten hat man Politiker so bereitwillig am Gängelband von Unternehmern zappeln sehen. Im Beschluss wurde dann auch der Wiedereröffnungstermin am 7. November gekippt, das Gesamt-Interim auf zwei Jahre und die Kosten dafür auf 18,1 Mio Euro »gedeckelt« — was Entschlossenheit demonstrieren soll, aber bei Bedarf verhandelbar ist.

 

Deutlich wurde bei dem Vorgang vor allem, dass weder Verwaltung noch Politik in Köln unter Zeitdruck seriös arbeiten. Nachdem öffentlich wurde, dass der Wiedereröffnungstermin der Bühnen nicht zu halten ist, machte die Verwaltung sofort Stimmung für das Staatenhaus. Anfang September legte sie eine tendenziöse Vorlage vor, die die Politik zurecht zurückwies: Zu offensichtlich war die Benachteiligung der MMC-Studios, während die Probleme des Staatenhauses beim Brandschutz und der Umbauzeit als »beherrschbar« schöngeredet wurden. Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach folgte darin Opernchefin Birgit Meyer und ihrer penetranten Werbung fürs Deutzer Interim. Gleichzeitig entwickelte die Politik einen Prüfungsfuror, der den eigenen Kontrollverlust beim Sanierungschaos kompensieren sollte.

 

Die Alternativen Staatenhaus und MMC-Studios haben beide einen großen Nachteil. Die MMC-Studios sind eng verknüpft mit Josef Esch und seinen dubiosen Fonds. Bis heute gehören die Gebäude dem Immobilienfonds Köln-Ossendorf-Hürth GbR, während die Studios selbst lange im Besitz der Stadtsparkasse Köln-Bonn waren und 2012 an die DUBAG AG verkauft wurden. Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender der Linken im Rat, hat Recht mit dem Hinweis, dass eine Vergabe an MMC letztlich »die Kassen der Oppenheim-Esch-Fonds füllen« würde. Über die erfolgsabhängigen Mietzahlungen fließt Geld an den Fonds zurück, an dem Esch nach wie vor beteiligt ist. Dass die MMC-Geschäftsführung der Stadt Köln zwischenzeitlich mit einer Klage drohte, sollte sie nicht als Interimsstandort berücksichtigt werden, kam bei der Politik nicht gut an.

 

Das Staatenhaus wiederum wurde im November 2014 von der Stadt an die BB Group im Erbbaurecht vergeben, die 40 Millionen Euro in das neue Musicaltheater investieren will. Am 1. Juli dieses Jahres wurde der Vertrag unterzeichnet, drei Wochen später wurde das Chaos am Offenbachplatz öffentlich. Prompt bot die BB Group der Stadt das Staatenhaus als Interim an. Bleibt die Frage, ob es zwischen Vertragsunterzeichnung, der Bekanntgabe des Sanierungsdesasters und der Zurückmietung des Staatenhauses einen Zusammenhang gibt.

 

Die Debatte um beide Spielstätten entwickelte sich zum Stellungskrieg. Der neue Chefdirigent François-Xavier Roth und Opernchefin Birgit Meyer trommelten fürs Staatenhaus; CDU und FDP für MMC. Beide Parteien nahmen sich im Oktober die Sitzungsprotokolle der Sanierung vor, um endlich den Verantwortungshut zu vergeben. Immer noch geht es um Fingerpointing statt um Erforschung struktureller Ursachen. Kürzlich legte die Hertie School of Governance in Berlin eine Studie zur Preisexplosion bei Bauten der öffentlichen Hand vor. Am Beispiel des Berliner Großflughafens lässt sich nachlesen, wie falsche Planung und Ausschreibung, Verzicht auf einen Generalunternehmer, Steuerungsaufwand durch viele Gewerke oder späte Planänderungen in ein Desaster führen. Doch Strukturen zu reformieren ist wenig publicityträchtig. Dann lieber Steuergelder raushauen. Der Finanzdeckel für die Bühnensanierung lag einmal bei 252, dann bei 278 und jetzt bei 296 Millionen Euro. Das Ende der Fahnenstange dürfte noch nicht erreicht sein.