Fehlt da was? Neben der KVB-Hochbahntrasse in Niehl fahren ja gar keine Autos! | Foto: Manfred Wegener

Mut zur Lücke

Der Niehler Gürtel soll verlängert werden.

Die Frage ist nur, ob auch für Autos

Sie können den Anblick kaum ertragen. Wenn Vertreter der kölschen Auto-Lobby auf den Stadtplan schauen, verstehen sie die Welt nicht mehr. Ihrer Meinung nach fehlt da etwas: die Verlängerung der Gürteltrasse von der Merheimer Straße in Mauenheim bis zur Mülheimer Brücke. Der Streit darüber ist ein Dauerbrenner. Seit mehr als vierzig Jahren flammt er immer mal auf, und nun ist es ­wieder soweit.

 

Die Bezirksvertretung Nippes hatte Anfang September einen Antrag zur Verlängerung des Gürtels mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP gefordert. So werde der Durchgangsverkehr in den Wohngebieten von Mauenheim und Weidenpesch abnehmen, heißt es. Die Fahrbahnen der Gürtelverlängerung sollen neben der Hochbahntrasse der KVB-Linie 13 verlaufen. Der Gürtel würde dann Neusser Straße, Niehler Kirchweg sowie Niehler, Amsterdamer und Boltensternstraße kreuzen, es sollen dort jeweils Kreisverkehre gebaut werden. Zwei neue Haltestellen soll es ebenfalls geben.  

 

Susana dos Santos Herrmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, begrüßt die Pläne. Zwar sei der Autoverkehr, entgegen früherer Prognosen, weniger stark angestiegen, weshalb eine Fahrspur in jede Richtung ausreiche. Aber ganz auf die neue Autostraße könne man nicht verzichten. Von einer »Stadtautobahn« könne aber keine Rede sein, auch Fußgänger und Radfahrer würden ausreichend berücksichtigt. Komme der Ausbau, so dos Santos Herrmann, könnten zudem im Gegenzug die Anzahl der Fahrspuren der Friedrich-Karl-Straße zwischen Mauenheim und Niehl verringert werden.

 

Die Bürgerinitiative »Stoppt den Gürtel!« sieht im Ausbau aber grundsätzlich eine unzeitgemäße Verkehrspolitik, die sich an den Konzepten einer »Autogerechten Stadt« aus den 60er Jahren orientiert. Unterstützt wird sie von der Wählergruppe Deine Freunde im Rat der Stadt. Gemeinsam lehnen sie eine Autostraße ab, stattdessen fordern sie einen Fahrradschnellweg bis zum Rhein. Der führte dann entlang der Hochbahn durch eine neue Parklandschaft, die Nippeser Tälchen, Toni-Steingass-Park und Nordpark verbände. Aktuelle Untersuchungen belegen, dass der Fahrradverkehr in Köln zunimmt.

 

Die Debatte um den Ausbau war 2010 vom damaligen rot-grünen Ratsbündnis zunächst auf Eis gelegt worden. Stattdessen sollte die Verwaltung eine Machbarkeitsstudie erarbeiten. Ende dieses Jahres will Verkehrs- und Planungsdezernent Franz-Josef Höing nun die Untersuchung vorlegen. Dem Vernehmen nach soll die Verwaltung darin eine Autostraße mit insgesamt zwei Fahrspuren favorisieren.

 

Deine Freunde und die Bürgerinitiative kritisieren, dass eine Variante nur für Radfahrer und Fußgänger gar nicht erst erarbeitet worden sei. Grüne und die Linke in der Bezirksvertretung Nippes unterstützen die Idee einer »Fahrradschnellwegeverbindung«. Die sei »längst überfällig«, heißt es in dem in der BV Nippes gescheiterten Ersetzungsantrag.

 

Nach der OB-Wahl haben die Verhandlungen über neue Bündnisse im Rat der Stadt begonnen. SPD und Grüne sind nach dem Wahlkampf noch zerstrittener als zuvor. Susana dos Santos Herrmann, die dennoch eine Koalition mit den Grünen vorzöge, sieht eine Chance, die Grünen vom Bau der zweispurigen Autostraße zu überzeugen. Zusätzlich ist zwar die Unterstützung einer weiteren Fraktion nötig, aber CDU und FDP wollen den Ausbau ja ebenfalls.

 

Die Bürgerinitiative und die Wählergruppe Deine Freunde fragen sich nun, welche Haltung die Grünen dazu einnehmen. Immerhin hätten die sich 2010 nicht explizit für eine autofreie Verbindung ausgesprochen, sondern lediglich dafür, dass ein Ausbau »stadtverträglich« sein müsse, sagt Thor Zimmermann von Deine Freunde.

 

»Es gibt in unserer Fraktion zwar noch keine Beschlüsse dazu«, so Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. »Aber wir haben einen klaren Meinungstrend für die Fahrradstraße.« Frank hält eine Autostraße für unnötig. Er fordert zur Entlastung der Wohnviertel vom Durchgangsverkehr stattdessen ein gutes LKW-Führungskonzept. »Das ist bislang unzureichend und wird nicht umgesetzt«, sagt Frank.

 

Wenn es bei der Haltung der Grünen bleibt, könnte die SPD den Ausbau immer noch allein mit der CDU beschließen — zumal nach der OB-Wahl in der SPD auch eine schwarz-rote Koalition ins Auge gefasst wird. Sollte es hingegen zu einem Bündnis von CDU und Grünen kommen, würde der Ausbau wohl von der Tagesordnung genommen. Zumal dieses Bündnis auf einen weiteren kleinen Partner angewiesen wäre. Die Wählergruppe Deine Freunde, die dafür immer wieder im Gespräch ist, hat allerdings bereits verlautbaren lassen, dass sie für eine solche Koalition nicht zur Verfügung stehe, wenn der autogerechte Gürtelausbau nicht klar abgelehnt wird.

 

Auch die neue parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die von den Grünen aufgestellt worden war, hatte sich im Wahlkampf gegen eine Autostraße ausgesprochen, unter anderem auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Deine Freunde. Damit allerdings stellt sie sich gegen CDU und FDP, die Reker ebenfalls unterstützt hatten.

 

Die Machbarkeitsstudie wurde jedoch lange vor Rekers Amts­antritt konzipiert, und ihre Stimme ist nur eine von 91 im Rat. Reker hat also kaum Einfluss auf die Entscheidung.