Schräge Herzlichkeit

Q And Not U machen hypermodernen Artschool-Punk

In den 80er Jahren, als Punk-Fanzines eine Alternative zum Kiosk-Journalismus darstellten, galten sie als unangefochtenes Flagschiff künstlerischer Integrität: Fugazi aus Washington DC. Nicht nur, dass die Band ihre Eintrittspreise selbst bestimmte, keine Anzeigen in kommerziellen Magazinen schaltete und regelmäßig auf politischen Benefiz-Veranstaltungen spielte - sie machten auch noch gute Musik.
Inmitten einer musikalisch verkrusteten Szene setzten Fugazi darauf, den schnell geknüppelten Hardcore-Punk um ein paar Gänge zurückzuschalten, ihn mit ungewohnten Melodielinien und geradezu sanften Passagen zu versehen. Zum Ethos der Band gehörte auch, keine Kompromisse mit der Musikindustrie einzugehen, sondern auf dem eigenen Label Dischord zu veröffentlichen, das auch zur Anlaufstelle befreundeter, in der Regel ebenfalls unorthodoxer Post-Punk-Bands wurde.

»Eine umwerfende Band«

2002 feierte Dischord sein 20-jähriges Jubiläum, das zwar von einer ansprechend gestalteten CD-Box, aber nur noch von geringer Presseresonanz begleitet wurde. Immerhin: Während andere in den 80ern allseits gefeierten Indie-Labels wie SST und Homestead sang- und klanglos mit jenem Jahrzehnt verschwanden, überlebte Dischord alle Höhen und Tiefen von Grunge bis zur Rave-O-Lution. Mittlerweile hat das Label mit Q And Not U wieder eine Band im Programm, deren Beliebtheit der einstigen Fugazi-Euphorie in nichts nachsteht. Anlässlich Q And Not U_s »Different Damage«-Album von 2002 stimmte sogar die Süddeutsche Zeitung Hymnen an, deren ungebrochen begeisterten Ton man sonst nur aus Fanzines kennt. »Eine umwerfende Band!«, schwärmte Rezensent Andreas Bernard.
Dabei knüpften Q And Not U im Grunde »nur« an die Anfänge des Punk an; an jene Zeit, als es die viel beklagten Schubladen innerhalb der Szene noch gar nicht gab, sondern alles von Gang Of Four bis Wire, von Lydia Lunch bis Pere Ubu möglich war und irgendwie unter Punk subsumiert worden ist. Mit »Different Damage« hatten Q And Not U den Artschool-Punk wiederbelebt und standen damit am Anfang eines bis heute anhaltenden Trends, fortgeschrieben von The Seconds, Rapture, Radio 4, Interpol, !!! oder den Liars. Dennoch wirken die Musiker von Q And Not U nicht wie modische Trendsetter, sondern verbreiten unprätentiöse Jugendhaus-Herzlichkeit.

Der Zwang, politisch werden zu müssen

Dank Präsident Bush haben sich die auffällig ungestylten Jungs auch politisch positioniert. »Wir hatten zwar nie vor, eine politische Band zu werden«, erzählen sie gegenüber dem E-Zine Alternative Nation, inzwischen seien die Zustände jedoch so katastrophal, dass Q And Not U während ihrer US-Konzerte sogar Wahlregistrierungen organisiert haben: »Wenn du dir überlegst, dass wir über 100 Shows im Jahr gespielt haben, bedeutet das, dass über 1000 Leute durch unsere Shows zur Wahl zugelassen wurden.« Ihre Songs sind allerdings frei von Tagespolitik, die Texte ähnlich vieldeutig lesbar wie die von Fugazi.
Bestand »Different Damage« noch aus leicht verquertem und zugleich melodischem Post-Punk, der auch musikalisch das Erbe von Fugazi übernommen hatte, markierte »Power« von 2004 eine Wendung in Richtung Disco und Funk. Erstmals ließen sie ihre Platte nicht von Dischord-Mastermind Ian McKaye produzieren, sondern von den El-Guapo-Musikern Pete Cafarella und Rafael Cohen, weil diese ein genaues Gespür für Keyboard-Sounds hatten. Von eingängigem Discopop kann dennoch keine Rede sein, auch nicht von einem eindimensionalen Rückgriff auf Funk-Punk-Klassiker wie Gang Of Four. Riffs und Rhythmen bleiben über weite Strecken verknotet, der oft säuselnd und fast als Falsett eingesetzte Gesang pendelt zwischen weichem Soul und Weirdness. Man könnte den Musikern fast nachsagen, dass sie sich auf »Power« nicht haben entscheiden können, ob daraus nun eine schräge Abstract-Punk- oder eine straighte Funk-Platte werden sollte. Doch diese Reibeflächen machen die Besonderheit von »Power« aus und verhindern den schnellen Verschleiß. Niemand wird Q And Not U vorwerfen können, dass sie hier nur die gerade trendige Electroclash-Welle bedienen, denn das Album ist zu vollgepackt, zu heterogen angelegt, um als schneller Knaller zu funktionieren.

Schmiegsam und quäkend

Der Einsatz von Flöten sorgt für ein weiteres irritierendes Moment: Mal schmiegsam und mal leicht quäkend kommt da ein Instrument zum Einsatz, das im Punk als größtes Tabu galt. Im Gesamtgefüge von »Power«, das schließlich auch auf Soul und Jazzrock verweist, macht dies jedoch Sinn.
Aber kann und soll man Q And Not U überhaupt noch als Punk verorten? Vielleicht in dem Sinne, in dem McKaye Punk einmal nicht als Stil, sondern als »ständige Weiterentwicklung« bezeichnet hat, als »Infragestellung, auch deiner selbst«. Eine solche kreative Suche hört man auch Q And Not U an. Das Unfertige ist ihre Stärke, das Flickwerk ihr Programm. Das heißt allerdings nicht, dass man zu dieser Musik nicht tanzen könnte. Es ist gerade der Groove, der die unterschiedlichsten Einzelteile am Ende zusammenhält.