Zebramann trifft den Mod-Gott

Das 4. Cineasia-Filmfestival zwischen Bildgewalt und Nonchalance

Die großen internationalen Filmfestivals konkurrieren jedes Jahr aufs Neue um den Vorzug, im eigenen Wettbewerbsprogramm möglichst viele prominente Filmemacher zu präsentieren. Dass einige große Namen über Jahre hinweg verlässlich mit Venedig, Berlin oder (allen voran) Cannes assoziiert werden können, bleibt deshalb die Ausnahme. Umso erfreulicher ist daher, wenn hoch gehandelte Regisseure kleinen Festivals beständig die Treue halten. So hat das Kölner Cineasia-Festival seit seiner Gründung 2001 jedes Jahr gleich mehrere Filme von Takashi Miike (»Audition«), einem der eigenwilligsten Filmemacher des internationalen Kinos, zeigen können. Auch dieses Mal sind zwei der neuesten Produktionen des unberechenbaren Vielfilmers (über zwanzig Kinofilme in den letzten fünf Jahren) zu sehen – was angesichts des auf ein gutes Dutzend Filme geschrumpften Programmumfangs wieder als ein Festivalschwerpunkt gelten kann.

Ein untoter Schwertkämpfer

Miikes allerneuestes Werk »Izo« ist ein filmischer Parforceritt, der wie eine zugespitzte Variation des ersten Teils von Quentin Tarantinos »Kill Bill« funktioniert. Die bildgewaltige Handlung folgt dem titelgebenden untoten Schwertkämpfer durch Jahrhunderte und wechselnde reale und surreale Landschaften. Der Held befindet sich auf einem Rachefeldzug gegen göttliche und weltliche Mächte, wobei seine Motive weitgehend im Dunkeln bleiben. Er hege einen Groll gegen alles, was existiert, sagt Izo, weshalb er auch alles meuchelt, was ihm über den Weg läuft, seien es nun Menschen, andere Dämonen oder Gestalten, die offenbar seinem Unterbewusstsein entsprungen sind.
In einem Hinterzimmer debattiert derweil eine Aristokratenrunde unter Aufsicht eines entrückten androgynen Gottes darüber, inwiefern Izo ein irrationales Prinzip verkörpere, das in jedem System auftreten müsse. Gewalt, Unterdrückung und Täuschung machten die menschliche Natur aus, gibt bei der Gelegenheit Takeshi Kitano als ominöser Premierminister zu Protokoll, und Miike scheint das zu bekräftigen, indem er mehrfach historisches Filmmaterial von Kriegen, von Hitler und Stalin, in kurzen Montagesequenzen einfließen lässt.

Hommage an die billigen Superhelden

Von der Wucht dieser ungestümen Bilder könnte Miikes zweiter Festivalbeitrag kaum weiter entfernt sein: »Zebraman« ist eine charmante Hommage an die billigen Superhelden-Serien, die seit den 70er Jahren das japanische Kinderfernsehen dominieren. Dabei steht ein unscheinbarer Lehrer im Zentrum, der von seiner Umwelt, einschließlich seiner Familie, mit Missachtung gestraft wird, bis er im selbstgeschneiderten Kostüm als »Zebraman« Japan vor einer Invasion von Außerirdischen rettet.
Wie viele Referenzen auf japanische Popkultur sich in dem Film verstecken, ist aus europäischer Perspektive nur zu erahnen, doch erinnern einige Elemente gewiss nicht zufällig an westliche SciFi-Kultfilme von »The Blob« bis »Ghostbusters«. Solche Anspielungen sind ganz zwanglos in einen Plot eingestreut, dessen Beiläufigkeit dramatische Wendungen mitunter gezielt unterläuft – etwa wenn das erste Auftauchen der Aliens auf dem Radarschirm herrlich durch einen nebensächlichen Dialog zerredet wird.

»Sexy Drink«

Es ist diese für das japanische Kino eigentümliche Nonchalance, die auch einen kleinen Film wie »Sexy Drink« auszeichnet. Dessen leichtgewichtige Handlung erstreckt sich über 24 Stunden, in denen eine junge Alkoholikerin, pünktlich zum zwanzigsten Geburtstag, mit ihrer Abstinenz beginnt. Allerdings rennt Miki schon bald auf der Suche nach einem Tropfen durch die Straßen, während sich ihr Freund Takashi im zweiten Handlungsstrang als untreuer Nichtsnutz entpuppt. Wenn Takashi sich für einen Fernsehauftritt als Stand-up-Comedian widerwillig auf Sex mit einem Produzenten einlässt, ist das für Ryuichi Honda Anlass, die Szenerie in Rot zu tauchen und vorübergehend negativ zu belichten. Doch für den Regisseur, von dem auch einige Kurzfilme im Festivalprogramm zu sehen sind, ist das ebenso wenig ein Grund, den gelassenen Erzählton aufzugeben, wie die plötzliche Konfrontation Mikis mit einem (allzu menschlichen) Gott im schrillen Mod-Outfit.
Dass sich in Japan regelmäßig Gelegenheiten zur Produktion solch hübscher Petitessen bieten, liegt vor allem an der Vielzahl von Distributionsnischen. Wobei nicht zuletzt das Fernsehen eine entscheidende Rolle spielt. So ist denn auch »Kisarazu Cat’s Eye« von einem TV-Sender finanziert und basiert auf einer Serie über fünf jugendliche Taugenichtse, die Baseball spielen, Bier trinken und nebenbei als Band firmieren.

Verblüffend: Der heitere Erzählton

Die Handlung dieses Films, der letztes Jahr in Japan ein überraschender Independent-Erfolg war, ist zwar sehr dünn, aber weit verzweigt – was Regisseur Fumiki Kaneko Anlass bietet, innerhalb einer langen Rückblende mehrfach im schnellen Bildrücklauf auf Nebenaspekte zurückzukommen. Ein Stadtstreicher scheint von den Toten wieder auferstanden; Heiratspläne werden geschmiedet und Banknoten gefälscht. Und bevor unsere Helden bei einem Konzert mit einer Kultband auf der Bühne stehen, verschlägt es sie vorübergehend auf eine (nicht ganz) einsame Insel. Das Verblüffendste ist, wie auch hier ganz ungezwungen ein heiterer Erzählton beibehalten wird, obwohl alle Vorzeichen dagegen sprechen: Der junge Protagonist ist nämlich todkrank.
Es ist dieser Ton, der die beiläufige Selbstverständlichkeit zulässt, mit der hier einzelne Erzählfäden aufgegriffen und wieder fallen gelassen werden. So tritt ganz am Rande einer von Miikes Lieblingsdarstellern auf und spielt sich selbst: Er drehe in Tokyo gerade einen Film namens »Zebraman«, lässt Sho Aikawa uns wissen.

Cineasia 4 findet vom 10.-12.12. im Filmhaus statt. Alle Termine unter www.cineasia-filmfestival.de und im Tageskalender.