Panische Träume

Zu Gast im Casamax: Das Ensemble Nicopoulos mit einem Theatersolo über Sylvia Plath

Zum Schluss verbrennt die Frau ein Buch. Das Leben war ihr wie ein Feigenbaum, voll mit verlockenden Früchten, den unterschiedlichen Lebenszielen. Aber: »Ich verhungere, weil ich mich nicht entscheiden kann«, konstatiert Sylvia Plath. Und entschwindet ins Dunkel. Mit 21 Jahren hatte die hochbegabte amerikanische Schriftstellerin den ersten Selbstmordversuch hinter sich, mit 24 ein Fulbright-Stipendium in Cambridge, mit 29 eine gescheiterte Ehe mit Dichterkollege Ted Hughes, mit 30, im Jahr 1963, begeht die alleinstehende Mutter zweier Kleinkinder Selbstmord in der Fremde.
Für Christos Nicopoulos, verantwortlich für Idee und Konzept von »Sylvia Plath – Panic Dreams«, und Astrid Rempel, die Darstellerin, scheitert die Autorin offensichtlich an der Zerrissenheit ihres Daseins, an den eigenen hohen Erwartungen, an Versagensängsten, dem Zuviel an Möglichkeiten.
Ein neuer Ansatz der Plath-Rezeption, nachdem Generationen von Feministinnen sie als Symbolfigur für das Scheitern einer weiblichen Künstlerin an ihrer männlich dominierten Umwelt sahen, während psychoanalytisch geschulte Exegeten auf die Familienkonstellation verwiesen und in Plaths Gedicht »Daddy« ihren früh verstorbenen Vater als Nazi-Stiefelträger reinkarniert sahen, dem sich das lyrische Ich masochistisch unterwirft.
Bei soviel Ausdeutung eines kurzen Lebens und den zahlreichen autobiographischen Bezügen in Plaths Texten kann eine Dramatisierung aus dem Vollen schöpfen. Erst recht, wenn sie wie hier auf einen dokumentarischen Abriss der Künstlerbiografie verzichtet. Von Anfang an liegt dem Auge des Betrachters alles offen: Bett, Tisch, Stuhl, in weiß gehalten, sind blutrot verfleckt, Töne und Stimmen im Off treten mit der Darstellerin in Dialog, eine Glühbirne beschwört die kalte Atmosphäre der Psychiatrie, wie Plath sie in ihrem frühen Roman »Die Glasglocke« beschreibt.
Astrid Rempel, im weiblich-verspielten Chiffonkleid gekleidet wie ein fehlgeleiteter Partygast, lässt eine Bandbreite an Stimmungen ihrer Figur sichtbar werden. Neben manisch-depressiven Zügen machen diese Sylvia vor allem ihre Brüche aus, so dass auch im banalsten Alltagsgeschehen der Abgrund gähnt, in dem die Frau zu versinken droht. Ein Betttuch kann als tröstende Höhle, Fessel, verhasstes Bodenschrubbtuch oder Brotteig dienen und wird zwischen Alltag und Anspruch zerrissen wie die Künstlerin. Eine packende Collage.

»Sylvia Plath – Panic Dreams«, R: Christos Nicopoulus, eine Produktion des Ensemble Nicopoulos, Casamax Theater, 14. & 15.1., 20 Uhr.