Vasileios Lottner

Die Kicker des 1. FC Köln mussten in der Hinrunde erkennen: Wir sind gar nicht so gut wie wir dachten. Auf den Aufstiegsplätzen landeten sie dann doch – ganz ohne »Lotte«

Die größte Umstellung gab es für die Marketing- und Presse-Abteilung des 1. FC Köln. Fünf Jahre lang war immer klar gewesen, welcher Spieler auf Repräsentations-Termine für irgendeinen Kaufladen-Sponsor oder Kartoffelchips-Geldgeber geschickt wurde – »das macht der Dirk«, hieß es jedes Mal, wenn eine entsprechende Anfrage in die Geschäftsstelle flatterte. Schließlich war Dirk Lottner ein Kölscher, Kapitän der Mannschaft und außerdem machte »der Dirk« sowas auch noch gern.
Vorbei. Beim FC wollten sie den Südstadt-Sohn nach fünf Jahren plötzlich nicht mehr. Kurzzeit-Coach Marcel Koller hatte bestimmt: Lottner muss gehen. Weil Profifußball eben nicht nur aus PR-Terminen und Elfmeter verwandeln, sondern auch aus Laufen und Grätschen besteht. Und das konnte der 32-jährige Spielmacher und Strippenzieher halt noch nie so gut. Das Unternehmen Wiederaufstieg in die Bundesliga sollte ohne den gelegentlich genialen Linksfuß beginnen – allerdings auch ohne Marcel Koller. Dem hatte Neu-Präsident Wolfgang Overath am Abend seiner Wahl zum Klub-Obersten kurzerhand den Laufpass gegeben, um den Weg für Huub Stevens frei zu machen.
Der Vorlauf zur Saison war also typisch kölsch – der Start in die Spielzeit leider auch. Traditionell vermurkste das ebenso teure wie hoch gehandelte Team, das eigentlich von allen Experten als Aufstiegskandidat Nummer eins gesehen wurde, die ersten Partien. Anfang August gab’s zum Auftakt im neuen RheinEnergie-Stadion gegen Energie Cottbus ein schnödes 0:0, eine Woche später setzte es im tiefsten Bayern bei den No names von Wacker Burghausen gar eine 2:4-Pleite.
Es reifte bei allen Beteiligten die Befürchtung: »Ui, so einfach wird das dieses Jahr gar nicht.« Außerdem merkten die Spieler: »Weia, der Huub ist ein derber Bursche.« Trainer Stevens nämlich hatte einen derart dicken Hals, dass er die fußballernden Jungunternehmer zur Strafe auf dem harten Aschenplatz trainieren ließ. Seine Theorie: »Die Jungs spielen schlecht, weil sie verwöhnt sind.« Um den stets frisch gegelt und frisiert daherkommenden Jungstars zu zeigen, wie harte Arbeit wirklich aussieht, schickte der Trainer sie anschließend zu einer Bergwerksbesichtigung unter Tage. Mit schwarzem Gesicht und gereinigter Seele kehrten sie zurück – und gewannen die nächsten vier Spiele.
Vielleicht war’s der Bergwerksbesuch, vielleicht hatte der Trainer im Laufe der Zeit auch einfach die passende Taktik gefunden – jedenfalls setzte sich der FC auf den Aufstiegsplätzen fest. Schönen Fußball gab es im regelmäßig erstaunlich gut gefüllten neuen Stadion allerdings nur selten zu sehen. Es wurde viel gerannt, gegrätscht und Fußball gearbeitet. Für die Glücksmomente sorgte beinahe ganz allein Jungstar Lukas Podolski. Der 19-jährige Nationalspieler gewann mit seinen schnellen Antritten, Linksschüssen und den daraus folgenden Toren einige Partien ganz allein, wie es schien. Was wiederum Huub Stevens nervte. In diesen Tagen dürfte beim Niederländer der Wunsch gereift sein, so rasch wie möglich einen zusätzlichen Spieler zu holen. Einen, der wirklich gut Fußball spielen kann. Der Ballgefühl, Spielverständnis und Überblick hat – einen wie Dirk Lottner.
Aber den konnte man nun wirklich nicht wegen einer Rückkehr fragen – das wäre zu peinlich gewesen. Präsident Overath ließ seine Kumpels und Ex-Kicker-Kollegen um Jürgen Glowacz und Stephan Engels also ausschwärmen und den Markt abgrasen – und tatsächlich fanden sie einen neuen Lottner. Und zwar in Griechenland: Vasileios Tsiartas, amtierender Europameister und seit einem halben Jahr ohne Verein, war zu haben. Zwar doppelt so teuer wie Lottner, aber dafür genauso langsam, zweikampfschwach und lauffaul wie der Ex-Spielmacher. Immerhin ist Tsiartas noch einen Schuss eleganter im Umgang mit dem Ball – genau der Richtige also.
Der FC scheint mit seinem neuen Spielmacher gut genug zu sein, die Konkurrenz in der Zweiten Liga in Schach zu halten. Die Abwehr steht ausreichend sicher, mit Tsiartas im Mittelfeld gibt’s wieder einen offensiven Ideengeber, vorn wird Podolski sein Ding schon machen.
Bleibt die bange Frage: Was wird danach? Was soll werden, wenn Voigt, Cullmann, Bade, Scherz, Springer, Streit & Co. dann wieder gegen Bundesliga-Konkurrenten spielen sollen? Das ist schon zweimal schief gegangen. Man ahnt, es kann nur einen Weg geben: Wolfgang Overath muss seine Kumpels wieder ausschwärmen lassen.