Es war einmal eine Buchhandlung... aber vergessen wir das. Dass sie wirklich alle wichtigen Bücher vorrätig haben werden, hat den Managern der innenstädtischen Buchkaufhäuser von Anfang an niemand abgenommen. Wie erbärmlich allerdings die literarische Realität jenseits all der bunten Megasellercover aussieht, ist ein Ärgernis ohne Gleichen.
Machen Sie zum Beispiel in der Krimiabteilung einer beliebigen Großbuchhandlung Ihres gestörten Vertrauens den Franzosentest! Das Ergebnis: Jede Menge krude deutsche, ohne Ende trashige US-Kriminalromane – von den Franzosen fehlt jede Spur. In den meisten, und das ist wirklich peinlich, führt man nicht einmal die Romane des Erfolgsautors Daniel Pennac.

Radikal und politisch höchst unkorrekt

Ungeheuerlich, was man den Lesern damit ohne Not und wider besseres Wissen vorenthält. Die AutorInnen des Neopolar, dem düsteren Gegenprogramm zum nouveau roman, erlebten in den letzten zehn, 15 Jahren eine erstaunliche kreative Blüte, Übersetzungen gibt es mittlerweile zuhauf – nur nicht in den gesichteten Regalen.
Das wird vermutlich auch bei zwei gerade erschienenen, großartigen Romanen nicht anders sein. »H4 Blues« von Jean Bernard Pouy, dem Spiritus Rector des französischen Krimis: ein sprachlich und stilistisch radikaler Abgesang auf seine eigene Generation der 68er, ohne diese jedoch bloßzustellen. Und »Kanguroad Movie« von Pouys »rechtem Gegenspieler«, dem kürzlich verstorbenen Alain Fournier: ein literarisches Vermächtnis, das tatsächlich so gar nichts rechts, dafür aber politisch höchst unkorrekt ist. Eine packende, schnelle, in Cinemascope erzählte Hommage an die Ureinwohner Australiens.
Viel besser als die Großen bestanden den Franzosentest übrigens die kleineren Buchläden in und um die Ehrenstraße herum. Bei Bittner und Alibi wird ein gewisser Bestand an französischen Krimis sorgsam gepflegt, und in der Bunt-Buchhandlung gibt es den einen oder anderen Pouy oder Pennac im modernen Antiquariat sogar zum halben Preis.