Foto: Manfred Wegener

Aufstieg zur Augenhöhe

Community Organizing soll den Menschen im Kölner Norden mehr Einfluss verschaffen

 

Auch in Köln verläuft das politische Engagement entlang der Armutsgrenze. Als im vergangenen Jahr in Köln ein neuer Stadtrat gewählt wurde, war die Wahlbeteiligung in vielen nördlichen Stadtvierteln äußerst gering. Viele Menschen versprechen sich offenbar nichts von der Politik. 

 

Das Deutsche Institut für Community Organizing (Dico), das an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin angesiedelt ist, will das ändern. Community Organizing soll die Menschen befähigen, selbst ihre Interessen zu vertreten. Drei Initiativen hat das Dico bereits in Berlin aufgebaut, 2013 stellte man die Idee erstmals auch in Köln vor. 

 

Mitte Oktober wurde nun nach vielen vorbereitenden Gesprächen in den Veedeln ein neuer Zusammenschluss gegründet: »Stark! im Kölner Norden« soll die Stimme derjenigen sein, die keinen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, weil sie nicht gut vernetzt sind. 800 Vertreter aus knapp dreißig Organisationen waren bei der Gründungsfeier in der Flora dabei. Der repräsentative Ort verdeutlicht den Anspruch. 

 

Vertreten sind viele religiöse Gruppen, darunter katholische und evangelische Kirchengemeinden, aber ebenso muslimische Organisationen, von der Hilfsorganisation Islamic Relief bis zur Ditib. Hinzu kommen Kulturvereine, Elterninitiativen und Wohnprojekte. Der Zusammenschluss sei parteipolitisch und weltanschaulich unabhängig, betont Tobias Meier vom Dico, der als Organizer, so seine Berufsbezeichnung, »den Prozess begleitet«, wie er sagt. 

 

»Wir wollen nicht Bürgervereine und -initiativen ersetzen«, sagt Dominic Passgang. Der angehende Sozialarbeiter ist Sprecher von »Stark!«. Es gehe dem Bündnis nicht um ein konkretes Anliegen, sagt er. Vielmehr sollen alle Beteiligten befähigt werden, mit Entscheidungsträgern »auf Augenhöhe zu verhandeln« — also mit Politikern, Vertretern der Stadtverwaltung oder einer Wohnungsgesellschaft. 

 

Bis Forderungen an die Politik gestellt werden, müssen noch die einzelnen Teams ihre inhaltliche Arbeit abschließen. Bislang war man vor allem mit der Gründung beschäftigt. Aber schon damit habe man vieles erreicht, weil die Menschen sich kennenlernten und merkten, dass sie etwas bewegen könnten, sagt Meier. Wenn er mit den Menschen in Bickendorf oder Bocklemünd, in Chorweiler oder Longerich spreche, dann höre er von Rassismus bei Behörden, aber auch von Mädchen mit gefährlichem Schulweg und von der Familie, die in einem Haus lebt, wo das private Wohnungsunternehmen die Instandhaltung vernachlässigt. Als wichtigste Themen hätten sich bislang Verkehr, Wohnen und Bildung sowie die soziale Infrastruktur herauskristallisiert. 

 

 »Wir müssen hier alle miteinander mehr in Kontakt treten«, meint Monika Collet von der katholischen Kirchengemeinde in Bickendorf und Ossendorf. Der Ansatz des Community Organizing passe zu den Grundlagen der katholischen Soziallehre. Auch dort ständen  Solidarität und die persönliche Begegnung im Vordergrund, ebenso das Prinzip der Subsidiarität — Probleme sollen möglichst auf der Ebene gelöst werden, wo sie auftreten. Collet findet, dass man den Menschen, die mitmachen, auch bald erste Erfolge ihres Engagements zeigen müsse, einen neuen Kinderspielplatz oder bessere Straßenbeleuchtung etwa. »Deshalb werden wir nicht mit Themen beginnen, die erst in drei Jahren gelöst sein können.« 

 

»Stark!« wird finanziell von großen Kölner Unternehmen wie Generali, Rewe oder Ford unterstützt. Auch die städtische Wohnungsgesellschaft GAG und die Sparkasse Köln-Bonn beteiligen sich. Allerdings haben sie keinen Einfluss auf die Ausrichtung der Initiative, wie Tobias Meier vom Dico betont. Sie hätten vielmehr ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter zufrieden und in einer guten Nachbarschaft lebten.

 

Das Gründungsdatum von »Stark!« war bewusst gewählt: 18. Oktober, der Tag der OB-Wahl. In vielen nördlichen Stadtteilen war die Wahlbeteiligung erneut am Niedrigsten. 

 

Weitere Infos auf stark-koeln.org