Begegnung mit dem Dritten Geschlecht

Angie Hiesl und Roland Kaiser verpflanzen »ID-Clash« von Köln nach Bangladesch

Was symbolisch nach Harmonie klingt, ist ein Kraftakt in Organisation. Wo Angie Hiesl und ihr Partner Roland Kaiser gerade ihre Performance »ID-Clash« zeigen, ist nichts schnell mal eben besorgt oder gemäß vorausgeschickten Bestelllisten  pünktlich zur Stelle. Wir sind in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, in die sich 14 Millionen Einwohner quetschen, alle permanent auf der Straße. So scheint es.

 

Angie Hiesl, die sich mit ihrer an Installationen orientierenden, stets ortsspezifischen Kunst ins Alltagsbild von Städten schraubt, wurde 2010 ans Goethe Institut Dhaka für einen Workshop eingeladen. Thema: Geschlechteridentität. An der daraus für Köln entwickelten Performance nahmen auch zwei bengalische Vertreterinnen der traditionsreichen Hijra-Kultur teil, Transsexuelle und Herm-aphroditen, die sich im südasia-tischen Raum im »Dritten Geschlecht«, weder Mann noch Frau, meist -zwischen Mystik, Spiritualität und Prostitution bewegen. Sie erzählten auf je eigene Weise ihre Geschichten, in einem Glashaus, in dem niemand mit Steinen warf. Von Clash aber sprachen die Hijras. Sie wurden laut, launisch, fast übergriffig; so sieht ihr Alltag aus.

 

Dank der neuen Goethe-Leiterin haben Anonnya und Katha nun ein Heimspiel. »ID-Clash« macht sich in der offenen Galeriehalle der Shilpakala Academy in Dhaka breit. Ungebremst trötet das Hupkonzert der Sraße hinein. Die Tänzerin Melissa Noriega, ehemals Michael, bewohnt ihr rotes Sofa in einer Art Bambushütte statt im Glashaus. Greta Pimentas Dusch-Auftritt wird in dem muslimischen Land durch einen Videoloop ersetzt, der ihre Geschlechtsmerkmale verschattet darstellt. Die Hijras Annonya und Katha sind weiterhin original und guter Dinge bei den Proben, hinreißende Performerinnen ihrer selbst. 

 

Über 200 Topfpflanzen für die Installation zu beschaffen, Blümchen und Palmchen, das war nicht einfach. Die Blumenläden sind winzig. Das Helferteam hat gut zu tun. Hundert Kondome zu kaufen: Die unermüdliche Dolmetscherin hatte in ihrem Leben sicherlich schon angenehmere Aufträge. So viele einer Sorte gab’s in dem Laden gar nicht, erzählt sie. Die Hijras verzieren in einer Szene damit Hammerstiele, während sie von Sexarbeit reden. Die ist für viele in ihrer Community überlebensnotwendig, doch wegen Krankheiten und Gewalt auch gefährlich. Auch verachten ihre Landsleute sie dann noch mehr, erzählt Shale Ahmed, für die sich die »Bandhu Social Welfare Society« einsetzt. Andererseits, so Ahmed weiter, werden Hijras bei Hochzeiten fürs Segenspenden bestellt, weil ihre vermeintliche Weder-Noch-Geschlechtslosigkeit als rein gilt. 

 

Biologisch sind sie jedoch Männer. Sie geben sich als Frauen, feminin in Kleidung und Habitus. Fällt ein Junge in der Pubertät auf diese Weise auf, mobben ihn Mitschüler und Lehrer aus der Schule hinaus, Familien verstoßen die Söhne. Resultat sind null Bildungs- und Jobchancen, Suizide. Hijras gruppieren sich traditionell in das hierarchische Guru-System ein, das Schutz verspricht, aber nicht gegen die Diskriminierung ankommt. Dafür braucht es Aktivisten wie Bandhu mit ihrer Aufklärungsarbeit unter Politikern. Als die Regierung Ende 2013 ihre Existenz als Drittes Geschlecht anerkannte, feierten sie den Erfolg mit der Hijra-Pride-Parade letzten November.

 

»ID-Clash«, R: Angie Hiesl, Roland Kaiser, Geplante Wiederaufnahme:
Köln/Düsseldorf Frühjahr 2016