Gott und die Welt

Eine Schau in Düsseldorf erkundet unser kollektives Bildgedächtnis

»The Problem of God« ist doppeldeutig. Es kann das Problem der Menschen mit Gott bedeuten, aber genauso: Gottes Problem mit den Menschen. Das gleichnamige Objekt von Pavel Büchler, eines der kleinsten Exponate in der groß angelegten Schau im K21, bringt dieses Dilemma auf den Punkt. Der tschechische Künstler hat zwischen die Seiten einer religionswissenschaftlichen Abhandlung ein Vergrößerungsglas geschoben, so dass das Wort »Invisible« sichtbar wird.

 

Die (nach Büchlers Objekt »The Problem of God« betitelte) Ausstellung  versammelt 120 Werke von 33 Künstlern aus den letzten 25 Jahren, die mystische und metaphysische Aspekte von Religion und Glauben ebenso verhandeln wie die christliche Bildsprache im kollektiven visuellen Gedächtnis. Sie sind nicht der Tradition »Religiöser Kunst« zuzuordnen, sondern zeigen die Weiterentwicklung christlicher Symbole, Thematiken und Darstellungsweisen im säkularen Kontext, um sie zu reflektieren und sie dadurch in andere Zusammenhänge zu überführen.

 

Gewalttätigkeit, Verwundung, Verletzlichkeit, Leiden und Einsamkeit sind die Themen im Untergeschoss. Viele Arbeiten in dem Raum, der an eine Krypta mit Chor erinnert, beziehen sich auf die Passion Christi. Anrührend: Der kürzlich mit dem Goslarer Kaiserring ausgezeichnete Boris Mikhailov hat mit Obdachlosen in seiner ukrainischen Heimat den Bilderzyklus »Case History« (Krankengeschichte) erarbeitet. Auf lebensgroßen Farbfotografien zeigen sich die Menschen mit ihren verwundeten Körpern in schneebedeckter Umgebung als Pietà, Schmerzensmann und in Szenen der Kreuzigungsgeschichte. Auch Berlinde De Bruyckere, Paloma Varga Weisz, Hermann Nitsch und Francis Bacon nutzen die religiöse Ikonographie, um existentielle Erfahrungen zu veranschaulichen. 

 

Beim Aufstieg in die oberen Etagen passiert man eine Kirchenglocke von Kris Martin, die zwar stündlich schwingt, aber nicht mehr läutet, weil ihr der Klöppel entfernt wurde — eine gewaltige Metapher für die Sinnkrise der Kirche in der westlichen Welt. Wer Zeit für die Videoinstallationen mitbringt, kann in den Kapellen-artigen Räumen rund um den Arkadengang weitere Entdeckungen machen. Höchst unterhaltsam und humorvoll erforscht Eija-Lisa Ahtila das beliebte Bildthema der Verkündigung durch ein Reenactement mit einer Schauspielerin, Laiendarstellerinnen und Tieren: Wie stellt man so eine Art Wunder heute wohl dar?