Bahn frei

Die Planung für die neue »Parkstadt Süd«

ist beschlossen. Die Bürgerbeteiligung muss aber weitergehen

Die Rede beginnt mit einer Pause — Franz-Josef Höing, Dezernent für Stadtplanung,  atmet demonstrativ durch, bevor er die Entscheidung erklärt, wie die neue Parkstadt Süd geplant wird. Man solle, so Höing bei der Abschlussveranstaltung im Bürgerhaus Stollwerck Ende November, »kurz innehalten« und sich der »historischen Bedeutung« bewusst werden. Zumal man daran mitgewirkt habe — er als Dezernent, aber ebenso alle Teilnehmer jener umfassenden Bürgerbeteiligung, die im April begann.

 

Einerseits hat Höing recht: Der Innere Grüngürtel, den in den 20er Jahren OB Konrad Adenauer (CDU) und der Stadtplaner Fritz Schumacher entwickelten, ist ein »Jahrhundertwerk«. Und ein Jahrhundertwerk ist es, diesen Gürtel nach hundert Jahren von der Luxemburger Straße entlang des Eisenbahngürtels bis zum Rheinufer in Bayenthal zu verlängern. Es sind 115 Hektar, die Fläche von 160 Fußballfeldern, die mit großem Park, Wohnungen, Büros und Straßen neu gestaltet werden.

 

Andererseits hört man das Höing’sche Pathos in diesen Tagen oft. Es ist der Ton, in dem der Dezernent für Stadtplanung, Bauen, Planen und Verkehr über die vielen Pläne spricht, die umgesetzt werden oder zumindest beschlossen sind. Kaum ein Projekt, dass er nicht »historisch« nennt oder bei dem man »nur einen Schuss frei« habe. In Höings Verantwortung fallen nicht bloß Großprojekte wie Parkstadt Süd oder Mülheim Süd. Er ist auch mit Opern-Desaster, Kalkberg-Desaster und der maroden und unzeitgemäßen Verkehrsinfrastruktur beschäftigt. Da tun Erfolgsmeldungen gut. Der  Abschluss der Planungen für die Parkstadt Süd ist so eine. Doch gibt es auch Probleme. Jene, die sich noch ergeben werden, wenn tatsächlich die Bagger anrücken. Und jene, die sich jetzt schon abzeichnen.

 

Da ist vor allem der Großmarkt in Raderberg. Er liegt mitten im Planungsgebiet. Der Stadtrat hat dessen Verlagerung nach Marsdorf beschlossen. Doch es gibt Proteste — in Lindenthal fürchtet man Lärm und Luftverschmutzung, wenn die LKWs durchs Viertel rattern. Die Parkstadt Süd steht und fällt aber mit dem Umzug. Denn die Großmarkt-Hallen sollen anders genutzt werden, etwa als kultureller Veranstaltunsgort. Und nur so würde auch die neue Parkstadt Süd vom LKW-Verkehr befreit.

 

Manche Bürger lehnen ein weiteres Großprojekt aber rundweg ab. Auch herrscht Misstrauen, wie ernst die Stadt die Bürgerbeteiligung nach Abschluss des Verfahrens nehmen wird. Das wurde auf der Veranstaltung im Bürgerhaus Stollwerck deutlich, wenn auch die Zustimmung überwog. Der Verein »Natur, Bildung und Soziales« (Nabis) will den Großmarkt ebenso bestehen lassen wie das Tierheim in Zollstock. Das Verfahren sieht man keineswegs als vorbildlich an, und das Eigenlob der Stadt nervt manche. Dennoch: Das »kooperative Verfahren« ist für Köln wegweisend. Selten wurden Ideen so intensiv diskutiert und geprüft.
Es begann im April mit Ortserkundungen, mehrere Gruppen mit Planern und Bürgern durchstreiften das Areal. Immer wieder kamen danach Bürgerinnen und Bürger mit den fünf Teams der Architekten und Landschaftsplaner zusammen. Am 4. September zeigten die Teams  ihre Arbeiten, am Tag da­­rauf hatten sie sich mit den Ideen der Bürger auseinanderzusetzen.

 

Anfang Oktober fand die nächste, insgesamt achte Veranstaltung des »kooperativen Verfahrens« statt. Schließlich fällte Ende November ein »Begleitgremium«, besetzt mit Politikern und Fachleuten unter Leitung des Hamburger Oberbaudirektors Jörn Walter, die Entscheidung — allerdings hinter verschlossenen Türen.

 

Das Wiener Architekturbüro Ortner & Ortner und die Bonner Landschaftsarchitekten RMP Stephan Lenzen überzeugten die Jury. Es ist der einzige Entwurf, der keine Bebauung des Bahndamms vorsieht. Einerseits erhält der künftige Park dadurch zwar keinen Lärmschutz, wie ihn etwa ein Büro-Riegel bilden würde. Andererseits wirkt der Grünstreifen dadurch weitläufiger. Büros und Wohnungen sollen hingegen in einem neuen Stadtquartier weiter südlich entstehen. Insgesamt 1500 Wohneinheiten könnten gebaut werden, ein Drittel davon Sozialwohnungen, dazu Büros für 4000 Menschen.

 

Bis zum Sommer 2016 soll der Stadtrat ein Gesamtkonzept beschließen, das auf dem Sieger­entwurf fußt, sagt Höing. Danach erst wird sich zeigen, was von der gesamten Unternehmung zu halten ist: Welche Investoren bauen? Wird es wirklich günstige Wohnungen geben? Vor allem: Wann kann man den neuen Park nutzen? Und es müsste weitergehen mit der Bürgerbeteiligung. Das bisherige Verfahren war vielversprechend, nun kommt es aber darauf an, diese Versprechen zu halten.

 

Übrigens: Kurz nachdem Planer und Bürger im April begannen, über die Parkstadt Süd zu diskutieren, fiel eine andere, ebenso »historische« Entscheidung: Der Stadtrat beschloss, Leitlinien für künftige Bürgerbeteiligungen entwickeln zu lassen. Das Gremium aus Politik, Verwaltung, Initiativen und Bürgern tagt seit August. In einem Jahr könnten die bis dahin entwickelten Leitlinien vom Rat verabschiedet werden. Bleibt zu hoffen, dass sie für das weitere Verfahren zur Parkstadt Süd zum Tragen kommen. Das Pathos sei dem Dezernenten dann gegönnt. Höing war schließlich 2012 angetreten, in Köln eine Bürgerbeteiligung zu etablieren, die den Namen verdient.