Altlasten bei der Rheinenergie: Das alte Hauptquartier am Parkgürtel | Foto: Manfred Wegener

Melkkuh in Halbtrauer

Eine Initiative fordert den Verzicht auf Braunkohle im Heizkraftwerk

Merkenich. Ein Ausstieg aber ist kompliziert

Es ist das zweithöchste Bauwerk der Stadt, und es ist umstritten: das Heizkraftwerk der Rheinenergie in Merkenich. Mit Braunkohle und Gas werden dort Wärme und Strom für den Kölner Norden erzeugt. Jetzt fordert die Initiative »Tschö, Rheinenergie!« komplett auf die Verbrennung von Braunkohle im Kraftwerk zu verzichten. »Gas verursacht viel weniger Emissionen als Braunkohle«, erklärt Alfons Kloeck von der Bürgerinitiative. Zudem seien die externen Kosten — Gesundheitsschäden und Folgekosten des Klimawandels — bei Braunkohle um ein Vielfaches höher.

 

»Als das Kraftwerk in den 80er Jahren gebaut wurde, war das für die Umwelt ein Fortschritt«, sagt Jörg Frank, Geschäftsführer der Grünen im Stadtrat. Da das Kraftwerk auch das Ford-Werk mit Dampf beliefere, hätten veraltete Braunkohle-Heizkraftwerke stillgelegt werden können. Nun sei es aber »an der Zeit, die Ablösung des Kraftwerks zu planen.«
Nur, wie diese Ablösung aussehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit. »Wenn in Merkenich das Braunkohlekraftwerk stillgelegt würde, müsste günstiger Strom an der Börse gekauft werden«, erklärt Gerd Brust, umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Dieser Strom stamme aus Kraftwerken der RWE, würde der Umwelt also noch mehr schaden. Es müssten, so Brust, zunächst die »schlechten, alten Kraftwerke« stillgelegt werden.

 

Die Stadt sollte klare politische Forderungen an die Rheinenergie stellen, findet dagegen Alfons Kloeck von Tschö Rheinenergie! Dazu gehöre es, den Energielieferanten zu verpflichten, bis 2020 nur noch auf Erneuerbare Energien zu setzen. In abgeschwächter Form existiert  so etwas schon heute. »Es gibt eine Vereinbarung mit der Stadt, dass die Rhein­energie nur noch in Erneuerbare Energieformen investieren darf«, sagt Gerd Brust. Im Frühjahr 2016 will das Unternehmen dennoch eine neue Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung in Niehl in Betrieb nehmen. Laut Stadtkämmerin Gabriele Klug (Grüne) werde dies »die letzte Investition der Rheinenergie in fossile Energien« sein.

 

Kloeck und der Bürgerinitiative geht das nicht weit genug. »Die Stadtpolitik will Klimaschutz zum Nulltarif«, sagt Kloeck. Es gebe keine ausgeprägte Kritik innerhalb von Rat und Verwaltung, weil der Konzern einen Teil der Gewinne in die Stadtkasse zurückleite. »Für die Stadtpolitik ist eine rote Linie um die Rheinenergie gezogen.«

 

Der Energieversorger ist zu 80 Prozent im Besitz der GEW Köln, an der die Stadt Köln mittels der Stadtwerke zu 100 Prozent beteiligt ist. Diese wiederum führen einen Großteil ihres Überschusses an die Stadt ab. Im Haushalt 2015 sind dafür 60 Millionen Euro vorgesehen. Zugleich subventionieren die Gewinne der Rheinenergie den Betrieb der KVB. »Und wenn die KVB im Fahrplan kürzen muss, ist das auch nicht im Sinne des Umweltschutzes«, sagt Gerd Brust von den Grünen. Eine »gute Balance« zwischen der Leistungsfähigkeit der Stadtwerke und der Ausschüttung in den Stadthaushalt sei wünschenswert, findet auch sein Parteikollege Jörg Frank. »Die Kuh, die man jährlich melken möchte, darf man nicht schlachten.«

 

Im Moment sind also sowohl der Haushalt der Stadt als auch die städtischen Tochterbetriebe auf den Gewinn angewiesen, den die Rheinenergie mit Braunkohle-Strom erzielt. Trotzdem gibt es Bemühungen der Kommunalpolitik, dies zu ändern. Mitte Dezember (nach Redaktionsschluss) wurde im Finanzausschuss ein Antrag der Linken beraten. Darin fordert die Fraktion, die Stadt solle bei Finanzinvestitionen künftig soziale und ökologische Kriterien einhalten. »Es ist klar, dass die Stadt manchmal kurzfristig Geld anlegen muss«, sagt Jörg Detjen (Linke). Bei langfristigen Finanzanlagen, etwa der Versorgungskasse, sei es aber möglich, diese stärker an sozialen und ökologischen Maßstäben auszurichten.

 

Argumente dafür liefert einer der größten Energieversorger selbst. RWE, zu 20 Prozent an der Rheinenergie beteiligt, plant momentan, den Konzern aufzuspalten. Erneuerbare Energien sollen in eine neue Firma namens »Newco« ausgegliedert werden. Das mittlerweile verlustreiche Atomkraft- und Braunkohle-Geschäft wird weiter unter dem alten Konzernnamen betrieben. Ruhrgebietskommunen wie Dortmund oder Essen, die insgesamt rund ein Viertel der RWE-Aktien halten, stehen damit vor einem Problem: Ihre Anteile werden im Wert sinken, der Konzern hat zudem schon für 2015 angekündigt, die Dividende von derzeit 1 Euro pro Aktie auf 50 Cent zu senken. Die Kommunen würden damit die Hälfte der Einnahmen aus ihren RWE-Aktien verlieren.

 

Auch die Privatwirtschaft stellt Finanzinvestitionen in Braunkohle mittlerweile auf den Prüfstand. Der Versicherungskonzern Allianz hat angekündigt, auf finanzielle Beteiligungen bei Konzernen zu verzichten, wenn diese »mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes durch den Abbau von Kohle oder mehr als 30 Prozent ihrer Energieerzeugung aus Kohle erzielen.« Konkret geht es um vier Milliarden Euro, die anderweitig angelegt werden sollen. Im vergangenen Jahr investierte die Allianz allerdings bloß 2,5 Milliarden von insgesamt 600 Milliarden Euro Gesamtanlagevolumen in Erneuerbare Energien. Es ist ein kleiner Ausstieg, aber einer mit Signalwirkung. Ob die Signale auch bei den Ratspolitikern und den Tochterfirmen der Stadt Köln gehört werden, steht auf einem anderen Blatt.