Comic-Workshop im Hotel Mado

Musical, Salsa und Telefon­auskunft

Begegnungsprojekte für Flüchtlinge gibt es viele. Aber welche Willkommenskultur nützt den Neuankömmlingen?

Reinhard Kleist ist ein mehrfach ausgezeichneter Comiczeichner,  2013 erhielt er gar den Jugendliteraturpreis für »Der Boxer«. Seine aktuelle Graphic Novel, »Der Traum von Olympia«, handelt von der Somalierin Samia Yusuf Omar. 2008 hatte sie an den Olympischen Spielen in Peking teilgenommen, 2012 kam sie auf der Flucht vor islamistischen Extremisten im Mittelmeer ums Leben.

 

Als Kleist sein Buch in Köln vorstellte, wurde er von der Initiative »Willkommen in der Moselstraße« ins Hotel Mado eingeladen, in dem vor allem afrikanische Flüchtlinge untergebracht sind. Kleist gab dort einen Comic-Zeichenworkshop für Kinder und traf danach im kleinen Kreis Menschen, die oft ähnliche wie die erzählten Episoden am eigenen Leib erfahren haben.

 

Eine gelungene Begegnung, die Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Füchtlinge nahm. Erlittene Traumata machen manche von ihnen misstrauisch gegenüber gut gemeinten Angeboten, die Angst vor Kidnapping und Erpressung sitzt tief. Auch wer seelisch stabil ist, möchte sich häufig nicht öffentlich exponieren, möchte nicht fotografiert oder zu seinen Erfahrungen befragt werden — und damit riskieren, zurückgelassene Familienmitglieder zu gefährden.

 

Kultur genießt bei Flüchtlingen nicht unbedingt Priorität — oben auf der Agenda steht zunächst die Existenzsicherung. Auch die gut gemeinten »Welcome Dinner« (siehe StadtRevue 12/2015)  erscheinen vielen Flüchtlingen, die danach doch wieder in eine Turnhalle zurück müssen, in ihrer unsicheren Situation wenig hilfreich.

 

Die vielen migrantischen Initiativen für Flüchtlinge werden zu wenig gefördert. Der am Rothgerberbach ansässige Verein »Migrafrica« etwa kümmert sich um afrikanische Zuwanderer aus Somalia, Eritrea, Nigeria oder dem Sudan. Hier geben alteingesessene Migranten ihre Erfahrungen mit Ämtern oder bei der Wohnungssuche weiter, und bieten Sprachkurse und Übersetzungen an, wie Amanuel Amare vom Vorstand berichtet. Seit 2013 existiert der Verein, mittlerweile gibt es einen landesweiten telefonischen Auskunftsservice. Ab Januar bietet »Migrafrica« auch Schulungen von Ehrenamtlern an, um Missverständnisse, Ängste und Unsicherheiten auszuräumen.

 

Die Bedeutung des Faktors Kultur sollte dennoch nicht heruntergespielt werden. Dies zeigt das vom Übersetzer und Literaturwissenschaftler Roberto di Bella initiierte Interkulturelle Autorencafé »FremdwOrte« im Literaturhaus (siehe Seite 24). Als vor einem Jahr in der Kölner Autorenwerkstatt zwei geflüchtete afrikanische Autoren auftauchten, erkannte der promovierte Brinkmann-Experte die Herausforderung: »Unter den Massen der Flüchtlinge gibt es doch bestimmt den einen oder anderen Journalisten, Dolmetscher, Literaturübersetzer oder Autor, der ein Forum sucht.« Am Weltflüchtlingstag im Juni wurden dann gemeinsam mit dem Kölner Literaturhaus Strukturen geschaffen, um sich einmal im Monat in der Bibliothek treffen zu können. Dabei dienen Lesungen von Flüchtlingen, die schon mehrere Jahre in Köln leben, Neuankömmlingen als Brücke.

 

Am unkompliziertesten ist wohl die Annäherung zwischen Kindern oder Jugendlichen, die über alle Grenzen hinweg ähnliche Interessen teilen. Im Gymnasium Kreuzgasse, auf dessen Gelände Flüchtlinge untergebracht sind, fand am 18. Dezember das Benefizprojekt »Refugees welcome on stage!« statt. Organisator ist der 18-jährige Oberstufenschüler Sebastian Sammeck. Er hat auf der Suche nach Auftrittswilligen viele Flüchtlingsunterkünfte abgeklappert. So kam es zum multikulturellen Musikabend, mit syrischen, afghanischen und nigerianischen Klängen. Vom Spendenerlös soll Ersatz für jene Instrumente beschafft werden, die auf der Flucht verloren gegangen sind.

 

Die Schüler des Deutzer Thusnelda-Gymnasiums wiederum haben ein Musical zum Thema Flucht entwickelt, das sie am 29. November im »Clubbahnhof Ehrenfeld« vorstellten. Dort hatte ein Verbund von Initiativen aus Ehrenfeld und dem Belgischen Viertel ein Nachbarschaftsfest organisiert. Auf eine Bastelstunde für Kinder und ein gemeinsames Essen folgten ein Salsakurs und viele Konzerte. Schließlich waren die mehr als 1200 Beteiligten glücklich. Club­betreiber und Organisator Gabriel Riquelme resümiert über den Erfolg: »Ängste abbauen, Schwellen überwinden — das geht am besten durch die grundlegenden gemeinsamen Dinge: Musik, Tanz, Essen«.