Zwischen Leben und Tod

Seit er als Kind bei einem Autounfall seine Eltern verloren hat, ist der junge Rettungssanitäter Crash nicht mehr ganz von dieser Welt. Traumverloren sitzt er hinter dem Steuer des Einsatzwagens und rast durch die Straßen Kölns. Ähnlich wie Max Klein in Peter Weirs »Fearless« hält er sich – er, der einen Unfall überlebt hat – für unverwundbar. Gleichzeitig plagen Crash seit jenem traumatischen Erlebnis schwere Schuldgefühle. Seine Tätigkeit als Rettungssanitäter ist eine unmittelbare Reaktion auf diese Erfahrung, als wolle er das, was seinen Eltern geschehen ist, wiedergutmachen.

Schmerzliche Erlösung vom Unfalltrauma

Im Gegensatz zu seinen beiden Kollegen, die mit einer Mischung aus Sarkasmus und Gleichgültigkeit den Schmerz und das Leid, mit denen sie täglich konfrontiert werden, auf Abstand halten, nimmt Crash Anteil am Schicksal der Menschen, zu denen sie gerufen werden. Jedesmal, wenn sie zu spät kommen, empfindet er das als persönliche Niederlage, gleichsam als entferntes Echo auf den Unfalltod seiner Eltern. Manchmal verfolgen ihn die Toten bis in seine Träume, reden mit ihm. Auch hierin gleicht Crash einem filmischen Vorbild: Frank Pierce aus Martin Scorseses »Bringing out the Dead«. Wie dort ist das zentrale Thema in Hendrik Hölzemanns Regiedebüt Erlösung.
Die scheint Crash in der Liebe zu der schwangeren November endlich gefunden zu haben, zum ersten Mal seit langem verspürt er so etwas wie Glück. Doch immer noch lassen ihn die alptraumhaften Erinnerungen an die Vergangenheit nicht los, und er muss begreifen, dass letztlich nur er selbst sich retten kann, dass die Entscheidung zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten ganz allein bei ihm liegt.

Neue Perspektive auf Abgedrehtes

Hölzemann, der bereits mit »Nichts bereuen« sein Können als Drehbuchautor eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, lässt Crashs Träume und Erinnerungen ihren Widerhall in der Wirklichkeit finden und stellt so eine unsichtbare, ja metaphysische Beziehung zwischen dem Innenleben seines Helden und der Außenwelt, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft her. Dabei wirkt das Surreale nie aufgesetzt, wird es doch vom Rettungsalltag an Absurdität mitunter noch übertroffen. Zudem sind die Übergänge zwischen den Erzählebenen häufig fließend.
Wie Hölzemann die unterschiedlichen Elemente seiner Geschichte gegeneinander ausbalanciert und zu einem stimmigen Ganzen verbindet, zeugt von einer inszenatorischen Souveränität, die – zumal für ein Erstlingswerk – bewundernswert ist. Sie zeigt sich auch in einem filmischen Blick, der dem aus zahlreichen Filmproduktionen sattsam bekannten Schauplatz Köln immer wieder neue, ungewöhnliche Perspektiven abgewinnt.

Kammerflimmern. D 05, R: Hendrik Hölzemann, D: Matthias Schweighöfer, Jessica Schwarz, Florian Lukas, Jan Gregor Kremp, 101 Min. Start: 3.2.