... mit Betonung auf »Kunst«

Seit 1. Februar hat das Museum für Angewandte Kunst eine neue Direktorin: Birgitt Borkopp-Restle wechselt vom Bayerischen Nationalmuseum nach Köln. Melanie Weidemüller sprach mit ihr über Umräumen, Aufräumen und die neue Hausordnung

StadtRevue: Ihr neues Büro, in dem wir sitzen, befindet sich in einem der markantesten 50er-Jahre Bauten in Köln, dem von Rudolf Schwarz entworfenen Haus an der Rechtschule. Wie gefällt Ihnen diese Architektur?

Borkopp-Restle: Ich finde, dass dieses Gebäude eines der schönsten ist, die es in Deutschland für eine Sammlung angewandter Kunst gibt, und bin sehr dankbar dafür. Es hat Charakter, eine Helligkeit und Offenheit, mit der ich mich sehr wohl fühle.

Es ist eine typische Kölner Architektur. Wie sollte man ihrer Meinung nach mit der Mischung aus Hässlichkeit und interessanten Bauten umgehen?

Ich bin natürlich nicht für Stadtentwicklung zuständig. Aber ich denke, dass man Köln seine spezifische Geschichte mit allen Tragödien ansieht, und dass man mit diesem geschundenen Stadtkörper jetzt sehr behutsam umgehen muss. Ich habe aber den Eindruck, dass die Kölner Bürger das auch anmahnen – das schätze ich sehr. Dass das Museum hier zu den Diskussionen einen Beitrag leistet, wie z.B. durch die Riphahn-Ausstellung im Moment, finde ich richtig und möchte ich auch so beibehalten.

Architektur ist nur eines der Felder des Museums. Auch das Kölner Haus wurde im 19. Jahrhundert als »Kunstgewerbemuseum« gegründet, inzwischen definieren sich die Museen dieser Tradition neu, irgendwo zwischen Historischem Kunsthandwerk, aktueller Kunst und Designshowroom – wie sieht für Sie ein heutiges Modell eines »Museum für Angewandte Kunst« aus?

Ich finde, dass das einer der spannendsten Museumstypen ist, die wir haben, und der seit seiner Gründung enorme Wandlungen erfahren hat. Diese Museen waren tatsächlich im 19. Jahrhundert Wirtschaftsförderungs-Institute, sie sollten dem Handwerk, der jungen Industrie, den Entwurfszeichnern ganz konkret Material und Hilfen an die Hand geben. Das wird so heute nicht mehr gebraucht. Ein Kunsthandwerk, das sich unmittelbar auf Vorbilder bezieht, haben wir so nicht mehr, das Design holt seine Anregungen aus völlig anderen Bereichen oder muss sich mit völlig anderen Materialien auseinandersetzen.

Was wird heute gebraucht? »Geschmacksbildend« zu wirken ist wohl auch vorbei.

Mit dem Stichwort Geschmack habe ich Schwierigkeiten. Was ich aber für ein spannendes Thema halte, ist die Ausbildung von Urteilsfähigkeit, auch in einem größeren Publikum. Die Leute werden heute zugeballert, mit Produkten, mit Werbung dafür, mit Dingen, die man angeblich haben muss, die sehr kurzlebig sind und über deren Entstehung, sowohl technisch wie gestalterisch, sie letzten Endes wenig wissen. Museen haben da eine Aufgabe, wenn es darum geht, deutlich zu machen, wie Gestaltung überhaupt funktioniert. Jeder Gegenstand, mit dem wir umgehen, hat irgendeine Form, die ihm irgendwer gegeben hat. Was für Beweggründe sind das jeweils, die Einfluss haben auf die Gestalt, die Form, die Verzierung, den Dekor, den man für so ein Ding wählt? Sich darüber bewusst zu werden, schlägt dann auch irgendwann durch auf die persönlichen Entscheidungen.

Wo verläuft die Grenze zwischen Kunst und angewandter Kunst?

Angewandte Kunst, oder Gebrauchskunst, dekorative Kunst, bezieht sich auf Gegenstände, die auch eine Funktion haben. Diese Funktion müssen sie wahrnehmen können. Wenn Sie das nicht tun, ist da etwas schief. Flaschenöffner, mit denen man sich die Finger klemmt, Möbel, bei denen man die Schublade nicht aufziehen kann, weil der Designer gefunden hat, dass Griffe etwas Hässliches sind ... Das geht bis in den Bereich von Architekturen, die ja auch zu etwas taugen müssen. Sich solcher Brüche bewusst zu werden, darüber, was da gewollt bzw. geopfert wurde um der Form willen, ist wichtig und auch interessant: Zum einen dort, wo diese Grenze zwischen Funktion und Formgebung ausgereizt wird, und auf der anderen Seite gibt es auch den Aspekt des engagierten Kunsthandwerks, bei dem sehr bewusst die Funktion außer Kraft gesetzt wird. Ich habe hervorragende keramische Arbeiten gesehen ohne jede Funktion, rein skulpturale Arbeiten, aber mit Farben oder Glasuren, die seit Jahrhunderten verwendet werden. Es ist spannend, solche Traditionslinien zu verfolgen. Im Bereich dieser Schnittstelle, zwischen angewandter Kunst und dem, wo es in den freien Bereich übergeht, würde ich auch in den nächsten Jahren gerne arbeiten.

Design findet auch im Kunstbereich starkes Interesse. Wie sehen Sie die Entwicklung, wo werden Sie Grenzen ziehen?

In den letzten Jahren hat sich eine Situation entwickelt, wo es gerade unter dem Stichwort »Design« schier uferlos geworden ist. Ich finde es wichtig zu sagen, dies ist ein Museum für Angewandte Kunst, Betonung auf Kunst, und da möchte ich bei jedem Gegenstand und Künstler, den wir hier präsentieren, fragen, ob das bei uns richtig ist. Es gibt das Design, das aus der Kunsttradition kommt – Akademieausbildung, sehr bewusste Formgestaltung –, und es gibt das Design, das mehr mit Ingenieurarbeit zu tun hat als mit Kunst. Da würde ich eine Grenze ziehen.

Es gab unter Ihrer Vorgängerin Kooperationen mit dem Architektur-Forum »plan« oder den »Passagen«. Wollen Sie die fortsetzen?

Ich bin sehr offen, aber ich will hier nicht so eine wolkige Anything-goes-Situation. Ein Museum ist dazu da, eine Aussage zu machen. Diese phantastische Ausstellung gerade im Museum für Ostasiatische Kunst z.B. finde ich absolut perfekt zur Möbelmesse. Das ist eine Ausstellung, die nicht in derselben Weise in einem Möbelhaus oder einer Galerie präsentiert werden könnte. Genau der Unterschied ist wichtig.

Welche »Museumsschwelle« gibt es für Architektur? Eine Ausstellung wie »radical architekture«, aktuelle theoretische Diskurse, soll das hier verhandelt werden?

Finde ich sehr spannend, und wäre auch dafür, dass wir uns darum bemühen. Was theorielastig ist, ist immer auch eine Frage der Präsentation. Für uns ist alles interessant, wo klare Positionen vertreten werden. Gerade wenn es kontrovers zugeht.

Sie bringen Ihre Erfahrung im Bereich historisches Kunsthandwerk mit, um sich den Beständen zu widmen. Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen der Kölner Sammlung, wie wollen Sie mit ihr arbeiten?

Erst mal finde ich, dass das Museum eine sehr gute Sammlung hat. Eine Stadt wie München hat – wie Dresden oder Berlin – fürstliche Sammlungen, im Verhältnis dazu hat Köln, entsprechend dem Engagement, aus dem das erwachsen ist, eine bürgerliche Sammlung. Das prägt den Charakter und auf der Ebene würde ich auch bleiben, die bestehenden Stärken weiter ausbauen, so dass es auch mit lokalen und regionalen Handwerks- und Design-Traditionen in gutem Kontakt steht. Das hängt natürlich zusammen mit meinem Plädoyer für das historisch gewachsene Kunsthandwerk, im zeitgenössischen Design haben Sie am ehesten diese unsäglichen Wiederholungen.

Ein Beispiel, womit Köln sich hier profilieren könnte?

Auf die Sammlung bezogen finde ich, dass Goldschmiedekunst und vor allem Schmuck in Köln eine große Tradition hat, das würde ich gerne mehr rausstellen. Die Keramiksammlung, die im 19. Jahrhundert beginnt und das 20. sehr stark abdeckt, ist ganz hervorragend, damit würde ich auch gerne mehr machen und so insgesamt zu einem stimmigen Konzept kommen.

... wäre da nicht das Geld: Sie übernehmen ein Haus, das wie fast alle Kölner Museen keinen vernünftigen Ankaufs- und Ausstellungsetat hat – wie beurteilen Sie Ihre Möglichkeiten?

Es gab Verhandlungsspielräume, die ich genutzt habe, und wie die Situation hier am Ort ist, ist mir bekannt. Ich bin gewöhnt, auf einem internationalen Niveau zu arbeiten, und bin nicht nach Köln gekommen, um daran Abstriche zu machen. Ich habe gelernt, wie man Arbeit anpackt, und auch mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern über Forschung am Museum gesprochen und deutlich gemacht, was ich mir von ihnen wünsche.

Derzeit wird die Umwandlung von Museen in GmbHs oder Stiftungen diskutiert – wie stehen Sie dazu?

Ich kann mit sehr unterschiedlichen Betriebsformen sehr effizient arbeiten, möglicherweise mit einer GmbH oder Stiftung etwas effizienter als mit den eher fest definierten Strukturen innerhalb der städtischen Verwaltung – aber wenn eine Stiftung kein Stiftungskapital hat, nützt mir die beste Stiftung nichts. Das Basisproblem ist, dass wir einfach nicht genug Geld haben.

Zur Person:
Birgitt Borkopp-Restle, Jahrgang 1958, ist Expertin für historisches Kunsthandwerk und leitete zuletzt die Textilsammlung am Bayerischen Nationalmuseum. Sie konzipierte u.a. die Ausstellungen »Von China nach Byzanz. Frühmittelalterliche Seiden aus der Staatlichen Eremitage in Sankt Petersburg« und
»Mit großen Freuden, Triumph und Köstlichkeit – Textile Schätze aus Renaissance und Barock«.