Mit Bildern Geschichten erzählen

Wie frisch ist Video? Am 29. April 2005 startet die Videonale 10 ihre Jubiläumsausgabe im Bonner Kunstmuseum. Christel Wester sprach mit Kurator Georg Elben über den state of videoart

 

StadtRevue: Als 1984 die erste Videonale stattfand, war das Festival eine Plattform für ein relativ neues Medium in der Kunst - zumindest was die Popularität beim Publikum anging. Welchen Stellenwert hat die Videokunst heute?

Georg Elben: Video war 1984 auch schon fast zwanzig Jahre alt! Und von den Besucherzahlen her ist es heute immer noch kein Medium, das wirklich auf ganz große Resonanz trifft. Ich denke, das liegt vor allen Dingen an der Zeitbezogenheit der Videokunst: Der Zuschauer kann nicht, wie das in einer Bilderausstellung der Fall ist, einfach einmal draufgucken und denken, er hat alles gesehen. Er muss die Zeit investieren, die ein Video dauert.

Heute sind die Grenzen des Mediums Video längst gesprengt. Ist der Festivaltitel »Videonale« überhaupt noch zutreffend?

Was wäre denn die Alternative? Medienkunst ist ein sehr schillernder Begriff, unter dem jeder etwas anderes versteht. Die Videonale ist ein Markenzeichen geworden in den vergangenen zwanzig Jahren, das ich ungern aufgeben möchte. In der diesjährigen Ausgabe haben wir uns auf die künstlerischen Mittel konzentriert, die schon am Anfang eine große Rolle gespielt haben: Wir sind wieder dahin gekommen, in der Ausschreibung Ein-Kanal-Arbeiten zu fordern – was bedeutet, dass es sich bei den eingesendeten Videos um kleine Geschichten, um narrative Erzählungen handelt. Sie können natürlich auch allein durch Bilder funktionieren, es gibt aber keine interaktiven oder materialintensiven Videoinstallationen.

Sie wollen also stärker den filmischen Aspekt der Videokunst betonen?

Ja, den filmischen Aspekt, die Konzentration auf das Bild und auch auf den Ton im Ablauf der Zeit ohne technischen Ballast.

Wenn ich an die letzte Documenta denke, fällt mir die Fülle an Filmen ein, die da gezeigt wurde. Das waren teilweise Dokumentarfilme, aber teilweise auch Filme, die man klar als Videokunst bezeichnen kann. Wie groß sind heute die Überschneidungen zwischen Videokunst und dem Spiel- und Dokumentarfilm?

Das Beispiel Documenta zeigt schon, dass man mit einer strengen Kategorisierung nicht weiter kommt. Es gab in den letzten Jahren eine starke Tendenz, dokumentarische Elemente in der Kunst einzusetzen. Das hat man auch bei der letzten Videonale sehen können, die deutlich den dokumentarischen Ansatz vertreten hat. Wir haben bei der diesjährigen davon Abstand genommen, weil es nur wenige eingereichte Videos aus diesem Bereich gab. Vielleicht ist das schon ein Zeichen dafür, dass der Zenit des Dokumentarischen in der Videokunst überschritten ist? Es gibt diese Arbeitsweise natürlich immer noch, aber die Frage bleibt: Wie sehr gehört das in den Kunstbereich? Kommt dann das fantasievolle Geschichtenerzählen, die Erfindung in der Kunst, nicht zu kurz?

Welche Position nimmt die Videokunst heute innerhalb der Medienkunst ein?

Da möchte ich mich gar nicht auf die Medienkunst beschränken, sondern über die Kategorisierung in der Kunst allgemein sprechen. Die Spezialisierungen haben sich längst aufgelöst, so dass es heute eigentlich gar keine Videokünstler im strengen Sinne mehr gibt: Video wird einfach allgemein benutzt von Künstlern, die genauso gut malen oder bildhauerisch tätig sein können. Video ist ein Medium unter anderen.

Die Jury der Videonale hat 47 Arbeiten aus rund 600 Einreichungen ausgewählt. Welche thematischen Schwerpunkte haben Sie gesetzt?

Wir haben schon in der Ausschreibung keine Einschränkungen vorgenommen, um möglichst frei zu sein und keine Richtung vorzugeben. Das ist in meinen Augen nicht die Aufgabe einer Videonale, sondern die Aufgabe einer Themenausstellung. Wobei nach meiner Einschätzung bestimmte Sujets vielleicht vor Jahren stärker behandelt wurden, etwa die Beschäftigung mit dem menschlichen Körper. Ich möchte jedoch keine neue Tendenz im Sinne einer zugespitzten These benennen, ich würde eher von einer größeren Breite von Themen sprechen: Es gibt subjektive Arbeiten, bei denen der Künstler als Produzent einer ganz eigenen Welt im Zentrum steht, oder auch sehr gute Beispiele für ein Zusammenspiel von Bild und Musik. Was auffällt, ist die Hinwendung zu politischen Themen. So greift das Münchner Künstlerduo M+M in »Dance with me, Germany« die Geschichte des jungen Türken »Mehmet« auf, die durch die Medien gegangen ist. Diese Arbeit steht in der Tradition des Wanderkinos, die Videoprojektoren sind auf dem Dach eines Dreier-BMWs angebracht. Wir zeigen sie in einer Außeninstallation auf dem Museumsvorplatz.

Bei der Künstlerliste fällt auf, dass sie viele unbekannte Namen enthält.

Wir haben dieses Jahr einen sehr internationalen Wettbewerb, nur etwa die Hälfte der vertretenen Künstler kommt aus Deutschland. Außerdem gibt es viele junge Teilnehmer, bis zu den Jahrgängen 1982/83, die teilweise noch vor dem Studium stehen. Das liegt sicher auch daran, dass wir nur Arbeiten aus den letzten zwei bis drei Jahren gefordert haben. Da wird kein Gesamtwerk ausgewählt, sondern es geht um eine einzelne Arbeit. Wenn die überzeugt, hat auch ein Anfänger eine Chance.

Also könnte man die Videonale charakterisieren als ein Festival, das die ganz junge Kunst in diesem Bereich zeigt und weniger die etablierten Positionen?

Ganz klar. Sie will die aktuellen Strömungen in der Videokunst zeigen – was man schließlich immer nur behaupten kann, weil sich erst retrospektiv zeigt, ob es aufgegangen ist. Am Anfang der Videonale waren Künstler wie Bill Viola oder Gary Hill dabei, die heute sehr bekannt sind, aber die beteiligen sich im Normalfall nicht mehr an einem Wettbewerb. An solchen Beispielen kann man sehen, dass die Videonale den selbstgestellten Anspruch mit einer guten Trefferquote erfüllt hat. Es lässt sich auch eine Kontinuität erkennen, so haben sich etwa Shelly Silver oder Klaus vom Bruch, die schon bei früheren Videonalen vertreten waren, dieses Jahr wieder beworben.

Dieses Jahr feiert die Videonale ihr zwanzigjähriges Bestehen. Wird sich das in dem Festival widerspiegeln?

Das soll unbedingt ein Kapitel der Videonale 10 sein: Wir werden einige Arbeiten aus den vergangenen zwanzig Jahren zeigen, die wenigstens ausschnitthaft an das eigene Archiv erinnern. Eine Retrospektive ist es sicherlich nicht, dazu ist die Auswahl noch zu klein. Aber die drei großen Kölner sind auf jeden Fall dabei: Ulrike Rosenbach, Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach. Wir zeigen Künstler, die früh Videonale-Preise gewonnen haben, wahrscheinlich ist auch ein Tape von Gary Hill dabei. Dieser Teil der Videonale korrespondiert mit der Ausstellung »Sich selbst bei Laune halten. Kunst der 70er Jahre aus der Schenkung Ingrid Oppenheim«, die parallel im Kunstmuseum eröffnet wird. Interessant ist diese Verbindung insofern, als Ingrid Oppenheim die Videokunst im Rheinland gefördert hat, und ihre Sammlung zeitlich bis zur Gründung der Videonale reicht. Das ist ein Grund, warum wir jetzt hier im Bonner Kunstmuseum sind.

Es gab Überlegungen, mit der Videonale nach Köln umzuziehen. Wäre Köln, mit der KHM und der wichtigen Rolle für die Entwicklung der Medienkunst, nicht der richtige Ort für das Festival?

Bonn hat durchaus eine eigene Geschichte in der Vermittlung von Medienkunst. Generell spielt das Rheinland dabei eine wichtige Rolle, mein Interesse gilt einer stärkeren Vernetzung.

die videonale 10
Festival für zeitgenössische Videokunst im Kunstmuseum Bonn,
Friedrich-Ebert-Allee 2
Termine: 29.4.-16.5., Di-So 11-18, Mi bis 21 Uhr. Eröffnungsabend 29.4., 20 Uhr (Kunstmuseum & Bonner Kunstverein), anschließend Fest.
Die Außen-Installation »Dance with me, Germany« ist nur vom 29.4.-1.5. zu sehen, von Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht.
Symposion: »Ausstellungsgestaltung für Video- und Medienkunst«, 8.5., 10-18 Uhr
Info: www.videonale.org