»Ich bin eine starke, sanfte Frau«

Ende des Monats startet die neue Tanzcompagnie der Stadt: pretty ugly tanz köln. GESA PÖLERT besuchte die Endproben und sprach mit der Choreografin, Tänzerin und pretty ugly-Leiterin AMANDA MILLER

Vor knapp einem Jahr wurde verkündet, was jetzt Bühnenrealität wird und woran bis dahin keiner mehr so recht glauben wollte: Köln bekommt – nach unzähligen fehlgeschlagenen Projekten und zehn Jahre nach Aufgabe des Tanz-Forums – eine neue Tanzcompagnie.
Plötzlich zauberte die Intendanz des Kölner Schauspiels die Choreografin Amanda Miller aus dem Hut, die gerade ihr Engagement in Freiburg aufgegeben hatte. Miller, in North Carolina aufgewachsen, hat acht Jahre bei William Forsythe in Frankfurt getanzt und choreografiert. 1992 gründete sie ihre eigene Pretty Ugly Dancecompany, die seit 1997 als Ballett Freiburg Pretty Ugly dem Theater Freiburg angegliedert war. In Köln wird daraus pretty ugly tanz köln. Möglich wurde das Engagement durch ein gemischtes Budget aus Mitteln der Imhoff-Stiftung (400.000 Euro pro Jahr), der Kölner Bühnen (300.000 Euro) und der KunstSalon-Stiftung (50.000 Euro). Das Land NRW hat ebenfalls Subventionen zugesagt. Der Vertrag läuft zunächst über vier Jahre, verpflichtet zu hundert Vorstellungen und lässt der Choreografin Freiraum für auswärtige Projekte.
Diesen Monat stellt sich Amanda Miller mit zwei Tanzabenden erstmals dem Kölner Publikum vor: Im Schauspielhaus zeigt sie »Oberon’s Flower« (Freiburg, 2002), in der Halle Kalk das Programm »Pretty Ugly/Paralipomena/Four for Nothing« mit Choreografien aus den Jahren 1987 bis 1997.

StadtRevue: Frau Miller, Sie sind gerade von den Freiburger an die Kölner Bühnen gezogen, zumindest räumlich ein großer Sprung. Wie fühlen Sie sich hier?

Es ist gut, in einer viel größeren Stadt zu sein als Freiburg. Es gibt mehr Einflüsse und Inspirationen. Köln ist eine sehr lebendige Stadt, dabei entsteht viel Energie.

Sie arbeiten jetzt schon seit ein paar Wochen mit Ihren Tänzern in Köln...

Mit der Compagnie sind es erst wenige Wochen. Aber um die Compagnie zusammen zu kriegen und die Organisation auf die Beine zu stellen, haben wir fast ein Jahr gebraucht. Das ist Arbeit, die die Leute nicht sehen.

Wie sieht diese Organisation aus?

Die Compagnie besteht aus Menschen, mit denen ich schon früher gearbeitet habe, und drei oder vier neuen Tänzern. Insgesamt sind es acht Tänzer. Die Verträge sind unterschiedlich. Manche laufen über ein Jahr, manche nur über einige Monate. Das ist ein sehr flexibles Konzept. Es soll unsere Tanzarbeit stärker machen.

Inwiefern?

Als Tänzer musst Du immer flexibel sein. Jeder Mensch ist an jedem Tag anders, also ist auch der Körper jeden Tag anders. Diesen Sinn von Flexibiliät wollen wir in unsere Arbeit integrieren. Die Compagnie arbeitet so, dass sowohl den Tänzern wie auch dem Publikum klar werden soll, was es heißt, jeden Tag in Bewegung zu sein. Genau so möchte ich immer offen sein für verschiedene Künstler und Kunstdisziplinen. Für andere Ideen, Philosophien, Lebenshaltungen und Kulturen. Dafür muss man sehr flexibel sein, aber auch sehr diszipliniert.

Anfangs hieß es, Ihre Compagnie würde in der lange vom Abriss bedrohten Halle Kalk residieren. Was ist daraus geworden?

Wir proben im Opernhaus und spielen im Schauspielhaus und in der Halle Kalk. Ich hoffe, dass dabei eine Energie entsteht, die vermitteln kann, was die Halle Kalk ist.

Das Publikum der Städtischen Bühnen hat jahrelang sehr wenig Tanz gesehen. Wird das schwierig für Sie?

Ich würde nicht das Wort »schwierig« benutzen. Ich würde sagen, es ist etwas Neues für alle Beteiligten. Jeder muss eine Art Entwicklung durchmachen. Zunächst könnte man ja sagen: »Oh, da ist etwas Neues. Oh, lass’ uns hingehen und es anschauen. Oh, wie wird es sein?«

Wie wird es denn sein?

Wir haben unsere eigene Stimme. Und unsere eigene Stimmen – wegen unserer Tänzer und der Freiheit, die sie innerhalb der Struktur haben.

Sie haben in der Probe fernöstlich angehaucht mit Säbeln hantieren lassen. Was war das für eine Szene?

Es war eine Übung, um etwas vom Raum zu verstehen. Wenn du nicht redest, sondern den Körper übernehmen lässt, ist das eine ganz andere Art, sich den Dingen zu nähern. Ich versuche, beim Arbeiten immer neue Wege zu finden. Auch für mich sind das dann neue Erfahrungen. Jeder im Probensaal ist dabei auf derselben Ebene. Ich bin nicht pädagogisch. Es geht um Austausch und Dialog. Vielleicht habe ich ein wenig mehr Erfahrung, weil ich älter bin.

Sie haben lange als Tänzerin und Choreografin mit William Forsythe gearbeitet. Wann haben Sie angefangen, Ihren eigenen Stil zu entwickeln?

Ich hatte schon meine eigene Stimme, als ich angefangen habe, mit Bill Forsythe zu arbeiten. Ich habe Seite an Seite mit ihm gearbeitet und war zugleich unabhängig. Bill hat mir vertraut, und das hat mir Raum gegeben, mich als Künstlerin zu entwickeln. Ich habe immer gleichzeitig getanzt und choreografiert, während meiner gesamten Laufbahn. So entsteht mein Tanz aus meinem Choreografieren, und mein Choreografieren aus meinen Erfahrungen als Tänzerin.

In Deutschland wollen aktuell viele zurück zum klassischen Tanz, zu »Publikumsmagneten«. Gibt es noch Raum für Experimente?

Es gibt Schönheit in allen tänzerischen Formen, alles hat zwei Seiten. Wir analysieren nicht so viel, wir choreografieren. Aber in der Art, wie wir unsere Arbeit entwickeln, wie die Ideen entstehen, ist das auch klassisches Ballett.

Aber im Gegensatz zum klassischen Handlungsballett stehen Sie doch für eine eher abstrakte, schwieriger zu entschlüsselnde Kunst.

Unsere Arbeit ist sehr einfach. Die Leute können sich zurücklehnen und einfach die Bilder vorbeiziehen lassen. Unsere Arbeiten sind sehr abstrakt, aber nicht schwierig. Ich würde sagen, sie sind ziemlich sanft. Sie sind eben von mir gemacht, aus meiner Seele heraus. Ich bin eine starke Frau, aber auch eine sanfte Frau. Auch da gibt es beide Seiten.

Sie sprechen immer wieder von »uns« und »wir«. Wie stark ist Choreografieren bei Ihnen Ensemble-Arbeit?

Ich diktiere nicht, wie die Tänzer arbeiten sollen, ich glaube an Selbst-Erschaffung. Ich mache das Stück, aber ich glaube trotzdem, dass jeder seine eigene Kreation einbringt. Ich möchte eher ein Scout sein, ein großes Bild vermitteln. Dabei bin ich stark beeinflusst von der Welt um mich herum. Insofern ist meine Arbeit immer ein »Wir«-Prozess. Beispielsweise hat ein Freund, ein tibetischer Mönch, mein Tanzen und Denken inspiriert. Als Tänzerin bin ich fähig, mich ununterbrochen zu transformieren. Deswegen kann ich Menschen etwas geben. Und das zu tun, hängt für mich mit Religion oder Spiritualität zusammen. Es ist etwas sehr Spirituelles, Tänzer zu sein, sich selbst aufzugeben für ein Publikum oder ein Training.

Ihr Mai-Programm für die Kölner Bühnen zeigt Stücke aus den Jahren von 1987 bis 2002. Wie ist diese Auswahl entstanden?

Es ist ein ziemlich klarer Bogen, der die Entwicklung meiner Arbeit demonstrieren soll, eine Art Retrospektive. Sie ist historisch angeordnet, damit die Besucher die Geschichte, die Intentionen oder die »Seele« des Künstlers verstehen können.

»Oberons’s Flower – Who do you love?«, Ch/K: Amanda Miller, Köln-Premiere, Schauspielhaus, 20., 26.5., 20 Uhr, Termine im Juni. »Pretty Ugly/ Paralipomena/ Four for Nothing«, Ch/K: Amanda Miller, Köln-Premiere, Halle Kalk, 28., 31.5., 20 Uhr, Termine im Juni.