Foto: Manfred Wegener

Die Ausnahme und die Regel

In den Zeiten von Hartz IV ist es noch schwieriger geworden, in Köln eine Wohnung zu finden

Bert Herwang* wäre wegen nicht mal hundert Euro fast obdachlos geworden. Bert Herwang ist Mitte vierzig, er war lange Jahre heroinabhängig, doch das ist vorbei. Seit neun Monaten suche er nun schon eine Wohnung, ohne die Unterstützung seines Therapeuten Hans Binder* hätte er schon lange aufgegeben, erzählt er. Er wirkt zugleich nervös, verunsichert und zornig.
Herwang bezieht Arbeitslosengeld II und wohnt im Moment bei einer Bekannten, in absehbarer Zeit muss er da weg. Wenn er keine dauerhafte Bleibe findet, muss er sich obdachlos melden. Dem Wohnungsamt bleibt im Zweifelsfall nur, den Bedürftigen in eine Pension für Wohnungslose einzuquartieren, denn das Amt hat auch nicht genügend Wohnungen im Angebot. Herwang schüttelt heftig den Kopf. Eine Unterbringung in einer Pension lehnt er strikt ab. Einmal sei er da gewesen, da sei man wieder mitten drin im Milieu. Die lange Wohnungssuche hat Herwang mitgenommen, am Schlimmsten seien die ständigen Zurückweisungen der Ämter – trotz Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens, das die Dringlichkeit einer eigenen Wohnung für Herwang betont.

Nur Wohnungen bis 297 Euro warm

Dass der lokale Wohnungsmarkt und Hartz IV sich nicht vertragen würden, hat die Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst (Grüne) schon früh erkannt. Man werde Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht zum Umzug zwingen, auch wenn diese – nach den neuen Richtlinien – in zu großen respektive zu teuren Wohnungen lebten, erklärte sie schon Ende letzten Jahres. Die sowieso schon angespannte Lage auf dem Kölner Wohnungsmarkt lasse massenhafte Umzüge nicht zu, so die wirklichkeitsnahe Begründung.
Bei Neuanmietungen wird dagegen oft auf eine rigide Einhaltung der Vorschriften gedrängt. Die lauten: Wer alleinstehend ist und Arbeitslosengeld II bezieht, darf in Köln eine Wohnung nur dann anmieten, wenn sie nicht mehr als 297 Euro kostet – inklusive Nebenkosten. Die zusätzlichen Heizkosten dürfen 1,30 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Wer in Köln kürzlich eine Wohnung gesucht hat, weiß, wie erdfern diese Vorgaben sind.

Run auf kleine Wohnungen

Wenn es denn mal eine Wohnung in dieser Preislage gebe, komme sie für ihn nicht in Frage, erzählt Herwang: zu klein, zu dunkel, zu heruntergekommen. »Ich war im Knast«, sagt er, »wenn ich in einer solchen Zelle wohnen soll, drehe ich durch.« Hans Binder nickt: »Seit klar war, dass Hartz IV kommen würde, gibt es einen Run auf die kleinen Wohnungen.« Die, die jetzt noch übrig sind, seien sowieso schon unzumutbar – für psychisch labile Menschen mit einer Drogen- und Knastvergangenheit jedoch indiskutabel, weil sie eine erfolgreiche Therapie behindern.
Anfang April schimmerte Hoffnung auf: Herwang hatte eine Wohnung gefunden und hätte sie auch haben können. Doch sie kostete nicht 297 Euro, sondern 315 Euro, dazu 80 Euro Nebenkosten. »Als dann wieder ein abschlägiger Bescheid kam, ist Herwang komplett zusammengebrochen. So etwas löst eine schwere Krise aus«, sagt Binder. Die drohende Wohnungslosigkeit und die ständige Ungewissheit mache die therapeutischen Fortschritte, die er in der Arbeit mit seinen Klienten mühsam erziele, quasi im Handumdrehen zunichte. Binder unterhält eine therapeutische Praxis in Köln und kümmert sich unter anderem um Patienten, die suchtkrank sind oder waren – im Rahmen des Konzeptes vom »Ambulanten Betreuten Wohnen«. Eine schlichte Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Klienten eine Wohnung haben – also nicht obdachlos sind. Es geht um eine schrittweise psychische Stabilisierung der Menschen, um eine Reintegration ins Alltagsleben.

Sorgfältiges Abwägen gefordert

Diese sinnvollen Maßnahmen werden mit staatlichen Geldern ermöglicht. Währenddessen werden sie von anderer staatlicher Seite, durch die Umsetzung der Hartz-IV-Richtlinien, zunichte gemacht. Über die Details der Durchführung und die Einzelfälle habe man sich in der Bundesregierung offenbar keine Gedanken gemacht, so Binders Kritik.
Gerade um die Einzelfälle aber macht sich Sozialdezernentin Marlis Bredehorst Gedanken: »Wir wollen, dass jeder Antrag sorgfältig geprüft und abgewogen wird. Bei geringfügiger Überschreitung der Mietobergrenze darf die Wohnung trotzdem angemietet werden.« Dass abschlägige Bescheide wie bei Bert Herwang ergehen, sei ein Versehen, sagt Bredehorst. Dagegen könne man Beschwerde einlegen.
Das hat Binder auch getan. Die zuständige Stelle hat den Bezug der eigentlich zu teuren Wohnung für Herwang nun genehmigt – nicht ohne zu betonen, dass es sich dabei um einen absoluten Sonderfall handele. Nichts also, worauf sich die vielen anderen Menschen in ähnlicher Situation berufen könnten.
Die MitarbeiterInnen würden derzeit geschult, um Rechtslage und Spielräume besser zu kennen, sagt Bredehorst.

* Name von der Redaktion geändert.