Des Künstlers Arbeitsspeicher

Der Kölner Markus Döhne zeigt im KunstWerk die Einzelausstellung »Schwarzschildkomplex Eins und Zwei«

»Schwarzschildkomplex« ist seit 1998 die erste Einzelausstellung von Markus Döhne in Köln. Mit drei Werkgruppen bietet sie einen Eindruck vom Werk des oft skulptural arbeitenden Grafikers, der für seine Arbeiten ausgeklügelte Herstellungsverfahren entwickelt und vielfache Bezüge aufmacht.
Ausgangspunkt ist stets gefundenes und modifiziertes Bildmaterial, das auf ungewöhnliche Trägerstoffe übertragen werden kann. Dazu gehören Döhnes Wachsarbeiten, die entstehen, indem ein Wachsblock gegossen und dann im Siebdruckverfahren direkt auf das Wachs gedruckt wird, anschließend wird das Ganze mit dünnen Wachsschichten überzogen. Diese Blöcke präsentiert er in sorgsam gefertigten, an den Seiten offenen Metallvitrinen: So kann man erkennen, wie die Farbpigmente des Siebdrucks auf die wächserne Umgebung ausstrahlen.
Manche der Motive auf den Wachsblöcken haben einen hohen Widererkennungswert. So ist das Schwarze Quadrat zu erkennen, Malevichs dezidierter Verzicht auf Abbildung, das radikalste malerische Manifest des 20. Jahrhunderts. Umschlossen vom Wachs bleibt es auf fragile Weise geschützt und scheint die Vergänglichkeit des zugrunde liegenden Fotomaterials zu kommentieren.

Ästhetik des Widerstands

Bezüge zu Kunst und Literatur sind auch auf den so genannten »Tafelbildern« von Döhne auszumachen. Sie entstehen, indem er mehrfach Acrylfarbe auf Aluminium aufträgt und darauf mit Siebdruck seine Vorlagen aufbringt. Das zugrunde liegende Bildmaterial erschließt sich bisweilen nur durch Erläuterungen. So auch bei den in der Kölner Ausstellung gezeigten Beispielen aus dem 45-teiligen Zyklus »Arbeitsspeicher«, wo auf monochromen Farbflächen in Blaugrün und Smaragdgrün der reprografierte um- und ineinanderkopierte Ausschnitt eines fotografischen Dokuments gedruckt wird.
Anfang des Jahres ist das Künstler-Buch »Arbeitsspeicher« erschienen, das die von 2000 bis 2003 entstandenen Tafeln der gleichnamigen Werkgruppe dokumentiert und vom Betrachter genaues Sehen einfordert: Was auf den ersten Blick wie Hochhausblöcke wirken kann, sind die verschieden weit herausgezogenen Schubladen eines Archivschranks. Der Ausschnitt basiert auf einer Aufnahme, die Peter Weiss in seinem Stockholmer Atelier zeigt, vor seinem Arbeitsspeicher stehend, auf der Suche nach Materialien.
Döhne verdankt Peter Weiss viel, sein Interesse für Kunstgeschichte etwa, das mit der Lektüre der »Ästhetik des Widerstands« erwacht ist, und die lang anhaltende Beschäftigung mit dem Spanischen Bürgerkrieg. Fragmente des berühmten Fotos, das Robert Capa vom sterbenden Republikaner im Moment seines Todes aufgenommen hat, sind eine von vielen Referenzen, die in Döhnes Bilderwelt zu entdecken sind. Zugleich ist ihm wichtig, dass seine Kunstwerke nicht auf ihre inhaltliche Aussage reduziert werden und nicht zu persönlich wirken. Das ist auch einer der Gründe für seinen Verzicht auf Arbeit mit dem Pinsel, ein Duktus soll nicht zu erkennen sein.
Seriell ist auch eine weitere Arbeit Döhnes, der zu seiner Arbeitsweise sagt, dass er filmisch denke, nicht in Einzelbildern. Hier ist das Ausgangsmaterial die Aufnahme einer Vitrine mit Buchumschlägen, die John Heartfield – eine weitere prägende Figur – für den Malik-Verlag gestaltet. Die Bücher sind so zu Blöcken gestapelt, dass sie an Warhols Brillo-Boxes erinnern, eine Assoziation, die Döhne gereizt hat.

Bilder und Gedanken zu möglicher Überwachung

In einem zweiten Bereich werden in den Kunstwerken die »Green Screens, Refugee Series« gezeigt, die vielleicht am deutlichsten politisch intendierte Arbeit von Döhne. Als er in »Kennzeichen D« erstmals Wärmebildaufnahmen sah, die helfen sollten, Flüchtlinge zu orten, war er fasziniert von den Möglichkeiten der Überwachungsmaschinerie. Schließlich gelang es ihm, beim Bundesgrenzschutz Filmmaterial zu bekommen, das Flüchtlinge an der tschechisch-bayrischen Grenze zeigt. Diese Arbeit mit Bildmaterial aus den späten 90er Jahren baut auf dem ersten Teil der »Green Screens, Refugee Series« auf: Sie zeigt republikanische Flüchtlinge, die 1939 von Spanien nach Frankreich zu entkommen suchen.
Ein diffuser Eindruck von möglicher Überwachung und sehr konkrete Gedanken zu den Flüchtlingsströmen im 20. Jahrhundert stellen sich beim Betrachten der Gazetableaus ein, die allesamt Einzelstücke sind. Doch die formale Qualität von Döhnes Arbeiten hebt sie über Thesenkunst hinaus. Bleibt zu hoffen, dass sein Atelier bestehen bleibt – auch auf dem Areal Mülheimer Hafen droht »Umwidmung«.


KunstWerk, Deutz-Mülheimer Str. 127-129, 4.6. bis 25.6., Eröffnung 3.6., 19 Uhr.
Buch »Arbeitsspeicher«: Edition Der Andere Buchladen, Köln 2005, 72 S. mit 52 Abb., 18 Euro.