Zum Minutenpreis eines Bierkastens

Regionalfernsehen ist teuer – das musste jetzt auch tv.nrw spüren. Trotzdem soll es weitere Versuche geben

Regionalbezug oder Kabelplatz her

Dem behäbigen WDR wollte man Konkurrenz machen mit einem frischen, modernen Regionalprogramm, tönte es vollmundig im Oktober 2001, als der private Regionalsender tv.nrw auf Sendung ging. Nun stellt der defizitäre Dortmunder Sender sein Programm zum 31. Mai ein. Eine echte Alternative war tv.nrw ohnehin nie. Vielmehr war der Sender zunehmend zur Abspielstation von Fremdprogrammen mutiert – Call-in-Shows von 9Live, News von Bloomberg TV, nächtens gern auch Sexy-Clips, und nie wusste man, ob die Akteurinnen auch von Rhein und Ruhr stammten. Zu wenig Regionalbezug, monierten dann auch immer wieder die Medienwächter von der Landesanstalt für Medien und drohten zuletzt mit Sanktionen: Sollte der Sender sein Programm bis Juni 2005 nicht regionalisiert haben, würde tv.nrw sein Vorrecht auf einen Kabelplatz in NRW verlieren. Kurz vor Verstreichen der Frist ist tv.nrw nun am Ende. Dabei hätten man so gern erlebt, wie die sonst eher harm- und zahnlosen Medienwächter mal durchgreifen.

Die Probleme von tv.nrw sind indes nicht hausgemacht. Ungefähr ein Dutzend privater Regionalsender sind hierzulande auf Sendung, und alle klagen über wirtschaftliche Probleme. Lokaler TV-Journalismus mit Anspruch ist eben kostspielig, und an kleinen Regionalsendern zeigen die großen Werbeagenturen kaum Interesse. Immerhin kündigte der Lokalsender Hamburg 1 jetzt Profite an. Doch ein klitzekleiner Schönheitsfehler auch hier: Der Sender setzt auf enge Kooperation mit der Hamburger Wirtschaft. Im Ergebnis ergibt das Sendungen wie »Baustelle Eigenheim ...mit Max Bahr«, die häufig von den werbenden Firmen selbst zugeliefert werden. Das spart zwar Kosten, doch werden Programm und Werbung eins. So haben wir auch nicht gewettet.

Büroflur als Studio

Und doch, Regional-TV rules, und so gibt es auch am Rhein weitere kühne Recken, die sich beherzt ins schwierige Geschäft stürzen. Läuft alles wie geplant, wird tv.nrw fließend in nrw.tv übergehen. Neuer Betreiber ist der Journalist Karl-Ulrich Kuhlo, einst Gründer des Nachrichtensenders n-tv. Seine Produktionsfirma DFAP hatte zuletzt das vierstündige Frühstücksfernsehen »Guten Morgen NRW« für tv.nrw produziert. Dieses soll nun den Kern für nrw.tv bilden – doch haben Beobachter so ihre Zweifel: Die Sendung, die in einem Studio genannten Büroflur produziert wird, habe insgesamt die Anmutung, als werde sie zum Minutenpreis von einem Kasten Bier hergestellt. Aber das kann ja noch werden. Gleich einen anderen Weg beschreiten will der Lokal-Sender »CENTER TV Heimatfernsehen Köln«. Dahinter steckt die Kölner AZ Media AG, die sich mit schlanker Digital-Technik frisch-fröhlich dilettierend noch in diesem Jahr in den Markt wagen will. Radikal lokal, mit Videojournalisten und Bürgerbeteiligung – seit Anfang Mai ist das Programm im Testbetrieb schon mal im Internet zu besichtigen (www.center.tv).

Ein paar Schritte weiter ist schon ein anderer Kölner Sender. Super RTL feiert in diesen Tagen sein Zehnjähriges und ist ganz berauscht von sich: Seit 1998 Marktführer bei den Kindern, profitabel schon vier Jahre nach Sendestart und seit sechs Jahren der reichweitenstärkste Kindersender in Europa. Erfolgsgeheimnis, so verrät Super RTL-Geschäftsführer Claude Schmit, sei es, nicht beim Fernsehen zu verharren, sondern die »Kinderkompetenz« auch in anderen medialen Spielfeldern fruchtbar zu machen. Internet, landesweite Roadshows und Merchandising – all das läuft schon wie auf Schienen. Jetzt denkt man bei Super RTL an Kinder-Radio, und auch die Pay-TV-Expansion ins Vorschulsegment steht an.

Nix für Kinder

Die Rendite rasant, die Entwicklung steil – nur für Kinder, unbedeutendes Detail, ist das alles nix. Meint nicht irgendein ideologisch verdrehter Kulturpessimist, sondern der hoch dekorierte Neurologe und Hirnforscher Man-fred Spitzer. »Vorsicht Bildschirm!« (Klett-Verlag, 2005) heißt anspielungsreich sein Buch, das pünktlich zu den Kinder-TV-Jubeltagen erschien. Körperliche Risiken, Gehirnentwicklung und Schulleistungen – alles wird sorgfältig und unaufgeregt abgearbeitet. Mit einschlägigem Ergebnis: Weitgehend unabhängig vom Inhalt führe substanzieller Medienkonsum zu einer geringeren Strukturierung des kindlichen Gehirns und damit zu einer Verarmung der kindlichen Erfahrungswelt. Weniger, so das Fazit, ist also mehr – ein Alptraum für reichweitenorientierte Sender wie Super RTL. Wo doch demnächst mit »Lazy Town – Los geht’s« durchaus Gutes transportiert werden soll: In der Adaption eines isländischen TV-Hits sollen wohlgenährte Kinder spielerisch zu guten Essgewohnheiten bewegt werden.

Um solches »Good TV« wird es auch Anfang Juli bei der Cologne Conference, dem internationalen Fernseh- und Filmfest in Köln gehen. Reality-Trash-TV sucks, so der Ansatz, und das bei Zuschauern und der Werbeindustrie. Vielmehr wird auch im Unterhaltungsfernsehen – die »Super Nanny« hat es vorgemacht – wieder soziales und politisches Gegenwartsbewusstsein gefordert. Für’s Kölner Publikum gibt es in Cinedom, Filmhaus und Cinemathek wie immer »the best in international Television« zu besichtigen. Und auch der Papst ist mit von der Partie. Infos unter www.cologne-conference.de.