Einfach, bezaubernd

Amadou & Mariam erinnern nachdrücklich daran, dass gute Popmusik nicht zuletzt aus Afrika kommt

Die Verkaufszahlen von aktueller Popmusik vom südlichen Nachbarkontinent gehen seit etwa vier Jahren zurück. Mancher Produzent, manche Händlerin sagt, seit dem 11.9.2001. Die großen Nasen der vergangenen zwei Jahrzehnte, Salif Keita oder Youssou N’Dour, haben das Publikum mit dick aufgetragenen Studioproduktionen müde gespielt und dann – als Konsequenz schwächer werdenden Interesses – eine bescheidenere Form der Präsentation gewählt. Der nostalgische Fokus auf das goldene Zeitalter der 70er Jahre ruft eine der produktivsten Zeitspannen von Popmusik überhaupt in Erinnerung, hilft aber keiner Combo, die heute in Dakar oder Lagos unterwegs ist.

Kooperation mit Manu Chao

Schnitt. Amadou & Mariam, das blinde Paar aus Mali, ist nach drei internationalen Tonträgern gut im Geschäft. Ihre Variationen von Musik aus der Bambara-Kultur, sanft durch den Rock-Wolf gedreht, haben schnell ihr Publikum gefunden. Ihre Bühnenpräsenz ist einzigartig und berührend. Sie zelebrieren ihre Liebeslieder, nur unterbrochen von einigen Gitarren-Performances Amadous, der zeigt, dass er John Lee Hooker und Jimi Hendrix gehört hat.
Der Weg, den sie nun gehen, ist der goldene: Manu Chao hat ihre neue CD »Dimanche a Bamako« produziert, die Musik ist gemeinsam mit dem »Erfinder« des Mestizo entstanden. Zuletzt hat der Superstar sogar einige Male unangekündigt mit ihnen auf der Bühne gestanden und verraten, das auch weiterhin tun zu wollen.
In Frankreich, wo die Platte schon im Herbst letzten Jahres auf den Markt gekommen ist, hat sich »Dimanche a Bamako« überdurchschnittlich gut verkauft. Die Konzerte in Frankreich sind ausverkauft, und ein Publikum, das weiß ist, häufig zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt und auf einem Rockkonzert nicht unangenehm auffallen würde, kann jede französische Zeile des neuen Albums mitsingen und tanzt, bis es schnauft. Wer sich in Deutschland in den letzten Jahren das eine und andere Konzert einer westafrikanischen Combo angesehen hat, weiß, wo das Problem liegt: Man trifft auf ältere Damen und Herren, die einen in Französisch oder Biologie unterrichtet haben könnten. Hier fehlt einem solchen Projekt noch die soziale Basis für den ganz großen Erfolg.

Mix aus Blues und malischer Musik

Amadou Bagayoko und Mariam Doumbia sind alles andere als der Blueprint für ein internationales Erfolgsmodell. Sie sind seit fast dreißig Jahren ein Paar und genau so lange eine Band. Sie haben sich im Institut für junge Blinde in Bamako, der Hauptstadt des westafrikanischen Mali, kennen gelernt. Damals war Mariam schon als klassische Sängerin bei Hochzeiten und anderen Festen engagiert, Amadou spielte die Rhythmusgitarre bei den Ambassadeurs du Motel, der damals führenden Combo des Landes, die mit dem jungen Salif Keita einen überragenden Ausnahmesänger hatte.
Die beiden haben eine Familie gegründet, Festivals initiiert, Bündnisse geschmiedet und sind getourt. 1986 gingen sie nach Abidjan im reichen Nachbarstaat Elfenbeinküste, eine Entscheidung für die Karriere. Dort gab es die Clubs und Studios, die Mali nicht zu bieten hatte. Sie nahmen einen Schwung Kassetten auf und kamen als Stars zurück nach Bamako. 1998 haben sie ihre erste internationale CD produziert. Der Track »Mon amour, ma cherie« war gleichzeitig der Opener der sehr erfolgreichen Kompilation »From Mali to Memphis«, mit dem das kunterbunte Putumayo-Label die Gleichzeitigkeiten zwischen malischer Musik und dem Blues zu dokumentieren versuchte. Die Geschichte begann erneut – diesmal außerhalb Afrikas.

Neue CD: Mehr Tanz, seltener Liebe

»Dimanche a Bamako« ist ein konsequenter Schritt. Zum Teil leicht und schwebend, hier und da ein Track, der dem Tanz gewidmet ist – seltener als auf früheren CDs besingen Amadou & Mariam ihre Liebe. Der Einfluss Manu Chaos ist beträchtlich, zwei oder drei Tracks wirken wie seine Originale mit malischer Einfärbung, bei mindestens einem Stück meint man, die falsche CD rotiere im Player. Aber wer Amadou & Mariam auf der Bühne sieht, dicht aneinander sich bewegend, wie sie ihr Publikum mit großem Spaß zum Tanzen pushen, begreift schnell, dass die Kooperation mit Manu Chao keine simple Marketingstrategie gewesen ist.
So viele gleichberechtigte afrikanisch-europäische Kooperationen, wie die von Amadou & Mariam plus Manu Chao eines ist, sind gar nicht denkbar, weil die vorstellbaren Partner fehlen. Unter etwas anderen Vorzeichen funktioniert zur Zeit die neue CD des Kölner Adé Bantu mit dem nigerianischen Fuji-Sänger Adewale Ayuba, deren Konzept deutlich politischer ist, als Brücke zwischen afrodeutschem Rap und afrikanischer Popmusik. Amadou & Mariam haben mit »Dimanche a Bamako« einfach eine bezaubernde CD gemacht. Die beiden haben keine Angst, ihre Musik zu kreuzen. Und sie haben dem europäischen Publikum die Möglichkeit gegeben, ein bisschen genauer darauf zu gucken, was heute alles möglich ist in Westafrika.


Amadou & Mariam, »Dimanche a
Bamako« ist bereits auf Warnermusic
erschienen. Sie spielen am 8.7. auf dem Kölner Summerjam (8.7.-10.7.)