Mangelwesen Mensch

Alle zwei Jahre zeigt die »Tanzplattform Deutschland« das Bemerkenswerteste, was in der Republik an freien zeitgenössischen Tanzproduktionen erarbeitet wurde. Künstler aus NRW sind selten dabei. Doch zur kommenden Plattform im März in Frankfurt am Main haben zwei es  geschafft: Verena Billinger und Sebastian Schulz. Beide aus Düsseldorf. Dort, im Forum Freies Theater, wo sie schon als Jugendliche in einem Tanzprojekt auftraten, feiert ihr Stück »Unlikley creatures (1) who we are« Premiere.

 

Es geht um die Körper im Tanz, der seit seiner Entstehung  in Renaissance und Barock, den Menschen immer auch andere Geschöpfe tanzen lässt: Feen, Monster, Nymphen, Planeten. Dabei erscheinen die Menschen als unwahrscheinliche Kreaturen, die sich gern als etwas anderes ausgeben, wie Mängelwesen. Sie sind sich selbst nie genug.

 

Billinger und Schulz finden ihre Themen auf der Straße. Bei aller Neugier, mit der sie bohren, drücken, zupfen, haben ihre Performances etwas im besten Sinne Bodenständiges, einen Bezug zur Wirklichkeit, der das Spielen ermöglicht. Was glauben wir zu sehen?

 

Die alte Theaterfrage kleiden sie in überraschende Inszenierungen, die sie mit Reihungen, Wiederholungen, Variationen strukturieren und dem Publikum mit einer Haltung der Klarheit und Transparenz präsentieren. Die aber auch zu der  Schein-Welt gehört, die hier bezweifelt wird. In »Romantic Afternoon« luden sich Relationen zweier Körper und Köpfe zueinander im Betrachter mit Geschichten auf. »First Life — ein Melodram« breitete ihrer beider Paarbeziehung aus. Als Zuschauer folgt man, wendet, schwankt: Was stimmt? »Violent Event«, hart an der Grenze der Simulation, führte Zerren, Klammern, Schütteln, Schubsen, Fesseln und Liegenlassen vor ... und Mord als Grammatikübung. Aus einem Monitor winkten Fernsehkreaturen. Diese erhobene Hand, wird sie schlagen oder hat sie schon? Das ist »unlikely«, wahrer Schein.