Sich dieser Realität unterwerfen? Nein!

Joe Knipp zeigt den Prinz von Homburg als weltlosen Träumer

Am Anfang ist Prinz Friedrich von Homburg eingelullt im Reich der Träume. Spöttisch beobachtet von Natalie, die ihn mit einem Siegerkranz aus Lorbeer neckt, träumt der Prinz von Siegen auf dem Schlachtfeld und Eroberungen des Herzens. Ein echter Held, bis Nathalie ihn weckt und aus dem im Traum so tatenfrohen Prinz wieder nur ein Träumer wird.

 

Dieser Mann ist einer, der scheinbar unantastbar zwischen Traum und Tat oszilliert. Doch als der Prinz das Grab sieht, das bereits für ihn ausgegraben wurde, befällt ihn die nackte Todesangst. Es ist der wirklichste Moment im Spiel des ewig somnambulen Tag- und Nachtträumers, den Julian Baboi hier mit Inbrunst und menschlicher Verzweiflung um sein Leben winseln lässt. Soviel existenzieller Leidensdruck bleibt freilich im Stück die Ausnahme.

 

Der Konflikt um Gnade und Gesetz, Staatsraison und Herzensangelegenheit, den Kleist in seinem  erst posthum zur Aufführung gebrachten Drama ausbreitet, bleibt ein Spiel mit den Deutungsmöglich­keiten. Ist der Prinz am Ende geläutert oder geht der Kriegswahnsinn wieder von vorne los? Passt sich Homburgs Intuition nur den preußischen Befehlprinzipien an? Lässt der Kurfürst als Verfechter staatlicher Prinzipien sich von seiner Zuneigung zur Nichte Natalie und dem vom Adelskorps-Gedanken geprägten Begnadigungsgesuch des Obristen Kottwitz beeindrucken oder sind seine Wendungen nur taktische Manöver?

 

Joe Knipp gibt in seiner schnörkellosen Inszenierung mit puristischem Bühnenbild und knapp gehaltenen Szenenfolgen den Text zur Interpretation frei. Dabei wechseln seine beiden Akteure auf der Bühne fortlaufend geschlechterüber­greifend ihre Rollen. Beindruckend, wie Anna Möbus und Julian Baboi in einem wahren schauspielerischen Kraftakt mit nur minimalen Kostüm­wechseln in neue Rollen schlüpfen. Vor allem Nachwuchstalent Anna Möbus überzeugt mit gro­ßer Wandlungsfähigkeit. Gerade noch strahlend jugendliche Natalie, brilliert sie im nächsten Augenblick als knorrig-leutseliger Obrist Kottwitz, beide bemüht, den nun von Baboi verkörperten Kurfürsten umzustimmen.

 

Wenn sich im Laufe des Stückes die Akteure in Allianzen finden und diese wieder aufgebrochen werden, spiegelt dies eine unsichere Welt im Aufbruch und Wandel, die Kleist in Preußen nach den napoleonischen Kriegen angetroffen und als zeitloses Gedankenspiel niedergeschrieben hat.