»Lass das Glotzen sein — greif ein«

Pinar Karabulut entfaltet in Furcht und Ekel 22 Facetten des Alltagsrassismus

Als Danny, Rille und Micha, drei dönermampfende Prolls aus der Provinz, den Kunden erledigen, weil er, wie es heißt, auf dem Spielplatz kleinen Jungs am Pimmel herumfummle, rammen sie mit einem dumpfen Knall seinen Kopf in den Secondhand-Fernsehglastisch und stopfen glimmende Zigaretten in seine stinkende Jogginghose, bis der Kunde hüpft wie ein »Hoppelhäschen«. Und alle sehen zu.

 

In der Grotte, der kleinen Spielstätte des Schauspiels, sitzt sich das Publikum gegenüber. Der in seinem Voyeurismus vor Schreck erstarrte Besucher wirkt wie ein perfekt in Szene gesetztes Bühnenbild. Auch darum geht es in P?nar Karabuluts Inszenierung von »Furcht und Ekel. Das Privatleben glücklicher Leute«: um unseren Alltagsrassismus — und das Schweigen, Wegsehen, auf der Straße, in der U-Bahn, wenn einer vom »Türkenpack ab nach Auschwitz « faselt.

 

2014, als der Berliner Dramatiker Dirk Laucke, das Stück als Auftragsarbeit für das Schauspiel Stuttgart schrieb, hatte es die rechtsextremen Ausschreitungen in Heidenau und Freital noch nicht gegeben — wohl aber 3.000 rassistisch motivierten Gewalttaten allein in Nordrhein-Westfalen. Basierend auf Augenzeugenberichten und Zeitungsnotizen verfasste Laucke eine Collage aus 22 Szenen, zum Beispiel über Meret, die ihren Mann beschuldigt, einen abgeschobenen Afrikaner auf der Toilette des Flughafens verraten zu haben und über den kleinen Roma-Jungen Tomas, der erst in eine Sonderschule abgeschoben und dann ins Zentrum eines rassistischen Mobs umgesiedelt wird. »Furcht und Ekel« ist eine schonungslose Bestandaufnahme über Alltagsrassimus, die Figuren nicht psychologiert, sondern in 22 Szenen auffächert. Eine Hommage an Brechts »Furcht und Elend des Dritten Reiches« und »Furcht und Hoffnung der BRD« von Franz Xaver Kroetz.

 

In Karabuluts Inszenierung ist die Ehrfurcht vor der literarischen Tradition zum Glück wenig zu spüren. Sie entstand im Rahmen der Werkstück-Reihe, in der Arbeiten des Regie-Nachwuchses vom Schauspiel Köln vorgestellt werden. Mit enthemmter Hingabe stürmen die Schauspieler die Bühne, rekeln sich in erotischen Posen zu Gewaltfantasien und diskutieren mit Kampfgesten in Zeitlupe zu den dramatischen Chören aus »Carmina Burana«, ob »wir« den Nazi-Aufmarsch verhindern sollten. Spätestens hier bringt die Anspannung zwischen Publikum und Bühne die Wände des Containers zum Vibrieren: »Wer soll das sein, wir?«, heißt es. Dann geht das Licht aus.