Hier geblieben

Über Menschen ohne Papiere war in Köln bisher kaum

etwas bekannt. Wie in den letzten Wochen Bewegung in die Kölner Diskussion kam, schildert Thomas Goebel

Etwa 10.000 Menschen leben illegal im Großraum Köln. Das ist natürlich nur eine Schätzung. So genannte Illegale sind Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Sie sind nirgendwo gemeldet, haben ihre Wohnung unter falschem Namen gemietet oder leben bei Freunden und Verwandten. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist rechtlich gesehen eine Straftat, werden sie entdeckt, folgt die Abschiebung.
Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass Menschen illegal in Köln leben. Manche sind vor der Armut in ihren Heimatländern geflohen und in der Hoffnung nach Deutschland gekommen, hier Geld zu verdienen. Andere sind vor Verfolgung geflohen, haben einen Asylantrag gestellt und sind untergetaucht, als dieser abgelehnt wurde.
Noch vor wenigen Jahren gab es Illegale offiziell gar nicht. Inzwischen haben sich in Städten wie München und Freiburg die Parlamente der Situation von Menschen ohne Papiere angenommen (siehe StadtRevue, Seite 30) – und auch in Köln beginnen Politik und Öffentlichkeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. »Grundrechte stehen auch Menschen ohne Status zu«, sagt Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. »Um diese Diskussion drückt man sich aber bisher.« Im letzten Herbst hat der Flüchtlingsrat mit anderen Kölner Gruppen wie »Kein Mensch ist illegal« und »Kanak Attak« die Initiative »Legalisierung fördern« gegründet. »Wir haben viel in Gang gesetzt – nämlich überhaupt über Menschen ohne Papiere zu reden«, sagt Prölß.

Zahnschmerzen als ernste Bedrohung

Im April hat die Initiative die Kölner Parteien aufgefordert, das Thema im Rat zu behandeln. Die Stadt solle die Gesundheitsversorgung und den Zugang zu Bildungseinrichtungen sicherstellen. Außerdem fordern die Gruppen eine »Selbstverpflichtung« von Polizei und Ordnungsbehörden, humanitäre Einrichtungen, die Papierlosen helfen, nicht zu observieren.
Das alltägliche Leben von Menschen ohne Aufenthaltsstatus bewegt sich auf einem schmalen Grad – nicht nur, weil sie ständig entdeckt werden können. Sie sind auch von Grundrechten ausgeschlossen, vor allem fehlt der Zugang zum Gesundheitssystem. Behandelnde Ärzte bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone, öffentliche Krankenhäuser unterliegen einer Mitteilungspflicht an die Ausländerbehörden, eine Regelung zur Kostenübernahme gibt es nicht. So werden schon Zahnschmerzen zur ernsten Bedrohung. »Die medizinische Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland entspricht nicht den erforderlichen medizinischen Standards und wird durch gesetzliche Regelungen behindert«, hat die Ärztekammer Berlin am 24. April festgestellt und in einer Resolution eine Verbesserung der Rechtslage gefordert. Auch dieser Beschluss ist ein Zeichen dafür, dass das Thema derzeit an Aufmerksamkeit gewinnt.

Medizinisches Netzwerk für Papierlose

Im Mai hat in Köln die »Malteser Migranten Medizin« (MMM) mit der Arbeit begonnen, eine medizinische Beratungsstelle für Menschen ohne Krankenversicherung. Einmal in der Woche untersuchen und behandeln die Mitarbeiter der MMM im Lindenthaler Hildegardis-Krankenhaus ausdrücklich auch Menschen ohne Aufenthaltspapiere bei Krankheiten, Verletzungen und Schwangerschaften. Die kirchlichen Verbände Diakonie und Caritas planen in Köln ähnliche Einrichtungen, das städtische Gesundheitsamt, so heißt es, sei interessiert am Aufbau eines medizinischen Netzwerks.
Ob sich auch die Kölner Politik offiziell des Themas annehmen wird, ist aber noch offen. Im September wird sich zunächst der städtische »Runde Tisch für Flüchtlingsfragen« in einer Sondersitzung mit der Situation der Papierlosen beschäftigen. Die Mitglieder aus Verwaltung und Politik, von Polizei und freien Trägern wollen sich von Sachverständigen die Situation schildern lassen. »Es ist für die gesamte Stadt gut, wenn es Gesundheitsversorgung und Schulbildung für nicht registrierte Menschen gibt«, sagt Kölns Sozialdezernentin Marlis Bredehorst (Grüne). Die Möglichkeiten der Kommune seien aber eingeschränkt: »Wir haben in Deutschland ein sehr schwieriges Ausländerrecht.«

Kölscher Pragmatismus

Das sieht auch die migrationspolitische Sprecherin der Kölner SPD, Susana dos Santos Herrmann, so: »Legalisierungen sind nur sehr schwer zu erreichen – deshalb muss man pragmatisch vorgehen.« Prinzipiell sei die SPD offen für die Vorschläge, »wir wissen aber noch nicht, was wir tatsächlich umsetzen können.« Zumal sich die CDU, der Kölner Koalitionspartner der SPD, noch zurückhaltender äußert: »Wir müssen erst sehen, ob das ein Thema für den Rat ist«, sagt Teresa De Bellis, integrationspolitische Sprecherin. Schon entschieden hat sich die Kölner FDP: Sie hält nichts von einer Behandlung des Themas im Rat. Die Stadt befinde sich in einem »Gewissenskonflikt«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite und verweist auf einen »volkswirtschaftlichen Schaden« durch Illegale.
Unterstützung bekommt die Initiative des Flüchtlingsrats dagegen von PDS und Grünen. Ossi Helling, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Rat, möchte die Situation von Menschen ohne Papiere mindestens in den Sozialausschuss bringen. Auch Helling setzt auf pragmatische Regelungen, zum Beispiel bei der Meldepflicht öffentlicher Stellen, um Gesundheitsvorsorge, Kindergarten- und Schulbesuch möglich zu machen: »Solange das Bundesrecht nicht geändert wird, müssen wir hier zumindest eine kölsche Lösung finden. Das wäre mal ein positives Signal aus Köln.«

Hilfe und Beratung
Malteser Migranten Medizin, donnerstags von 10-14 Uhr,
Malteser Krankenhaus St. Hildegardis (Nebengebäude), Bachemer Str. 29-33, Köln-Lindenthal
Kein Mensch ist illegal Köln,
Infostelle für Illegale: Montag 15-19 Uhr
im Allerweltshaus, Körnerstr. 77-79, Köln-Ehrenfeld, www.kmii-koeln.de

Informationen zur Situation in Köln
Kölner Flüchtlingsrat, Tel. 3382-249,
www.koelner-fluechtlingsrat.de

Die bundesweite Diskussion
Dokumente und ausführliche Informationen zur bundesweiten Diskussion finden sich auf der Netzseite von Pater Jörg Alt, Jesuiten Flüchtlingsdienst Berlin: www.joerg-alt.de


Mehr zum Thema in der aktuellen Juli-Ausgabe der StadtRevue: Wir haben Zayd getroffen, der seit zwölf Jahren ohne gültige Papiere in Köln lebt. Und wir haben uns die Situation in Freiburg angeschaut, wo der Gemeinderat die Situation von »Illegalen« zum kommunalpolitischen Thema gemacht hat.