Foto: Manfred Wegener

Nationalismus, unbeleuchtet

Die Grünanlage am Bismarckturm wird aufgehübscht, um das Denkmal besser wirken zu lassen. Warum eigentlich?

Otto bekommt eine Pediküre. Auszubildende des Grünflächenamts befreien momentan den Sockel der Bismarcksäule, die am Ende des Bayenthalgürtels direkt an der Rheinuferstraße steht, vom Gestrüpp. Sie säen Rasen auf den Trampelpfaden rings um das Denkmal und legen nach historischem Vorbild zwei neue Wege an, die das Rheinufer mit dem Bayenthalgürtel verbinden. Auch neue Bänke und Abfalleimer soll es geben, wenn im März alles fertig ist. 

 

Die Sanierung der von Fritz Encke entworfenen Grünanlage, die ebenso wie der Bismarckturm aus dem Jahr 1903 stammt, kostet 65.000 Euro. 60.000 davon hat die von zwei Adenauer-Enkeln ins Leben gerufene Kölner Grün-Stiftung gespendet. Zwischen 1999 und 2013 wurden bereits mehrere hunderttausend Euro in den Turm gesteckt; 2001 ließ der damalige Stadtkonservator Ulrich Krings sogar die kupfernen Lorbeerkränze rekonstruieren.     

 

Ganz schön viel Geld für eine Säule, die man nicht mal richtig sehen kann. Denn der Bismarckturm ist völlig überwuchert. In den 50er Jahren ließ die Stadt ein kleines Plata-nenwäldchen um das Denkmal herum zu pflanzen. »Vielleicht hatte man vor, sie zu beschneiden, aber das hat dann niemand getan«, vermutet Joachim Bauer vom Grünflächen-amt. Auch die aktuelle Sanierung wird deshalb nichts daran ändern, dass man Bismarck erst sieht, wenn man unmittelbar davor steht. Dabei ist das Denkmal immerhin 27 Meter hoch, ein massiver kastenförmiger Turm aus Grauwacke und Basaltlava, auf dem ein stilisierter Bismarck in Ritterrüstung mit Schild, Schwert und Reichsadler prangt. 

 

Das hatten sich seine vor Nationalismus glühenden Erbauer anders vorgestellt. Die Bismarck-Säulen, von denen es auf dem Gebiet des Deutschen Kaiserreiches einmal 240 gab, sollten eine gebührende Fernwirkung haben. Auf alten Fotos sieht man auch die Kölner Säule freistehend auf einem dreieckigem Platz, der sich trichterförmig zum Rhein hin öffnet. Eine eindrucksvolle Wacht am Rhein, das war die Intention. 

 

Es waren deutsche Burschenschaften, allen voran die Bonner Alemannia, die nach dem Tod des »Eisernen Kanzlers« 1898 zum Bau von Gedenksteinen aufriefen: »Auf allen Höhen unserer Heimat« sollten »gewaltige granitene Feuerträger« errichtet werden, und »überall soll, ein Sinnbild der Einheit Deutschlands, das gleiche Zeichen erstehen?...« Dazu riefen die Burschenschaften einen Architekturwettbewerb aus. 

 

Auch in Köln wurde der Ruf der Studenten erhört und eine Gruppe von Bismarck-Verehrern, darunter der Stadtbaumeister Josef Stübben, begann, Geld zu sammeln. Mitglieder dieses Komitees fuhren nach Bonn, wo die Entwürfe des  Bismarcksäulenwettbewerbs ausgestellt waren, und entschieden sich für ein Modell des Berliner Architekten Arnold Hartmann. Die Stadt Köln stellte mit dem Grundstück zwischen Rheinufer und dem gerade neu entstehenden, prächtigen Bayenthalgürtel einen erstklassigen Bauplatz zur Verfügung. Der Schokoladenfabrikant und Bismarck-Fan Heinrich Stollwerck spendete schließlich die entscheidende Summe für den Bau; das »Volk« hielt sich mit Spenden eher zurück. 

 

Das Geld reichte nicht, um den im Entwurf vorgesehenen Unterbau, eine Art künstlichen Felsenhügel, umzusetzen. Damit wäre der Turm knapp zehn Meter höher ausgefallen. Noch nicht einmal für eine kleinere Version mit einer niedrigen Pfeilergalerie war es genug, weshalb man Fritz Encke beauftragte, den Unterbau mit einer Gartenanlage zu gestalten. Es war Enckes erster Auftrag. Seine späteren Entwürfe, etwa für den Blücher- und Rheinpark prägen bis heute Köln.

 

Zur Sommersonnenwende 1903 wurde der Bismarckturm schließlich eingeweiht. Jährlich loderten nun die »Flammen vaterländischer Begeisterung« in den Himmel. Auch für die Befeuerung kam Stollwerck auf, der sich direkt neben dem Turm seine neumittelalterliche, »Bismarckburg« genannte Villa errichten ließ. Diese wurde in den 30er Jahren abgerissen.

 

In der Folgezeit ließ die Begeisterung für Bismarck bekanntlich stark nach. Sein Denkmal am Rhein wird heute weder befeuert noch beleuchtet: Einem entsprechenden Antrag des Rodenkirchener Bezirksvertreters Torsten Ilg (Freie Wähler) zur »angemessenen Beleuchtung des Platzes« mochte im September 2015 niemand zustimmen. Irgendwie scheint es außer dem ehemaligen AfD-Mitglied allen ganz recht zu sein, wenn Bismarck im Dunkeln verschwindet. Nichtsdestoweniger entscheiden sich Lokalpolitiker über fast alle Parteigrenzen hinweg seit Jahren immer wieder dazu, große Summen für die Sanierung auszugeben — aus einer diffusen Vorstellung heraus, man müsse das Erbe ja irgendwie erhalten. 

 

Dieser Umgang mit dem Bismarckturm hat den Historiker Martin Stankowski so befremdet, dass er dem Architekten Paul Böhm vorschlug, seine Studenten auf das Denkmal anzusetzen. Sie sammelten Ideen für eine Umnutzung des Turms. Die Ergebnisse waren im vergangenen Jahr im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen. Eine Studentin wollte auf dem Turm eine Kletteranlage installieren. Stankowski findet die Idee gut: »Aus städtebaulicher Sicht erfüllt das Denkmal noch immer eine Funktion, weil es den Abschluss des Gürtels bildet. Politisch und künstlerisch hat es aber keine Bedeutung.« Wenn schon teuer sanieren, findet Stankowski, dann wenigstens so, dass die Menschen etwas davon haben. 

 

So wie in den Lahnbergen bei Marburg zum Beispiel: Dort befindet sich im Kaiser-Wilhelm-Turm  ein Café, und seit 2006 prangt eine Lichtskulptur an der Turmspitze. Wenn man eine kostenpflichtige Telefonnummer wählt, wird das Licht aktiviert. Die Einnahmen kommen gemeinnützigen Einrichtungen zugute. 

 

Es gibt aber auch Städte, die mit ihren ungeliebten Denkmälern ganz anders umgegangen sind. So verbuddelte die Stadtverwaltung von Mönchengladbach 1960 eine von den Nazis eingeweihte Löwenskulptur, die an die »Helden des Weltkriegs 1914 bis 1918« erinnerte, kurzerhand auf dem Gladbacher Hauptfriedhof. Bis heute wird diskutiert, ob man es wieder ausgraben soll. 

 

Unliebsame Denkmäler zu beerdigen — diesen Gedanken findet Jörg Beste sehr amüsant. »Als Ultima Ratio — warum nicht?« Die wiederholte Sanierung des Bismarckturms findet der Geschäftsführer des Architektur Forums Rheinland jedenfalls problematisch. »Wenn unsere demokratische Gesellschaft Denkmäler saniert oder rekonstruiert, die aus einer militaristischen Zeit stammen, muss man das zumindest kommentieren.« Beste erinnert an das Reiterdenkmal von Friedrich Wilhelm III. auf dem Heumarkt, das die Stadt nach langem Hin und Her rekonstruieren ließ: Auch in diesem Fall habe niemand eine Haltung zu dem dargestellten Preußenkönig eingenommen. »Der Stadtkonservator ist für den Erhalt der Substanz zuständig, wer aber kümmert sich um die inhaltlichen Fragen?«

 

Beste wünscht sich, dass jemand diese Frage zumindest beim Kürassierdenkmal am Deutzer Rheinboulevard aufgreift. Immerhin wird hier ein Regiment der preußischen Armee geehrt, das 1849 während der Badischen Revolution die Demokraten niedermetzelte. Der Lanzenreiter wird in diesen Monaten in einer Fachwerkstatt in Linz saniert und soll bald den neuen Rheinboulevard schmücken. Ein Kommentar zur Geschichte des Regiments ist nicht geplant.