Stress Alaaf III

»Mehr Tempo und Rambazamba«

 

Alle sechs Tage durcharbeiten habe ich noch nie gemacht. Diesmal sind es »nur« drei Tage, früher waren es vier. 1994 habe ich zum ersten Mal den DJ gemacht, damals noch im Spielplatz. Dieses Jahr bin ich das erste Mal im Olympia. Mir ist wichtig, dass ich zu 95 Prozent Karnevalslieder spiele, also auf Schlager und den Ballermann-Sound verzichte, die haben ja fast überall massiv Einzug gehalten. Der perfekte Abend sieht so aus: Ich spiele kein Lied zweimal und es kommt keiner und wünscht sich was. Aber die richtig großen Lieder darf man ruhig nach vier Stunden noch mal spielen. In der Regel lasse ich auf drei, vier treibende Nummern ein ruhiges Stück folgen, mal vom Gas runtergehen. Aber ich habe das Gefühl, das Publikum wird immer jünger, und die wollen mehr Tempo und Rambazamba. Und das ist anstrengend. Früher konnte ich von mittags bis frühmorgens auflegen, jetzt übernehme ich eine Acht-Stunden-Schicht. Wie ich das durchhalte? Viel Wasser und ab und zu Cola. Mehr nicht. Zucker pusht. Eine Playlist habe ich nicht, aber ich weiß schon, bei welchen Stücken der Laden abgeht. Meine Stücke für den Höhepunkt des Abends sind »Mer bruche keiner« von den Bläck Fööss — aber von denen kann man fast alles nehmen —, »Et jitt kei Wood« von Cat Ballou und »Anna« von Kleeblatt.

 

 

Niko Thom ist Comiczeichner und arbeitet fürs Fernsehen

 

 

»Wir können Karneval nicht schließen«

 

An den Karnevalstagen gibt es natürlich lange Schlangen im Laden. Die Kunden wollen schließlich bei uns auch beraten werden. Ich mache das jetzt vierzig Jahre, und früher waren die Leute schon etwas entspannter. Heute wollen alle nicht nur kostümiert sein, sondern auch schön aussehen. Aber es macht auch Spaß, Kunden einzukleiden. Wir machen hier halt mehr, als einfach mal ein paar billige Kostüme oder Perücken zu verkaufen. Manche Kunden bleiben zwei Stunden, meist brauchen Frauen etwas länger als Männer. Die kommen oft mit ganz konkreten Vorstellungen und wissen was sie haben wollen. Männer wollen aber seit rund zehn Jahren meist auch komplett eingekleidet werden und nicht nur eine lustige Jacke haben. 

 

Stress ist es nur, wenn die Kunden keine Zeit mitbringen. Aber ich gehe ja auch einkaufen, beim Metzger muss ich da auch mal länger warten als im Supermarkt. Das tut mir dann manchmal leid für unsere Verkäuferinnen. Mit meinem eigenen Kostüm hab ich zum Glück keinen Stress — ich hab ja den Laden. Letztes Jahr war ich Piratin und diese Saison mache ich Steampunk mit Corsage und so weiter.

 

Ich feiere immer Samstag und Sonntag am Abend. Rosenmontag muss ich wieder früh im Laden sein, die Hotels rufen dann an und fragen, ob deren Gäste noch ein Kostüm bei uns bekommen können. Deshalb können wir an den Karnevalstagen nicht schließen, auch nicht Rosenmontag. Aber Veilchendienstag gucken wir dann immer den Ehrenfelder Zoch, das ist bei uns seit vierzig Jahren Tradition. Am Aschermittwoch geht es um 11 Uhr übrigens gleich wieder weiter — denn dann wollen ja diejenigen feiern, die über Karneval arbeiten mussten: Taxifahrer, Krankenschwestern oder Ärzte.

 

Beate Schmitt ist Geschäftsführerin von »Festartikel Schmitt« im Kunibertsviertel

 

 

»Die nennen uns Orangene Funken«

 

Alles, was laufen und fahren kann, ist Karneval bei uns im Einsatz. Vorher erhalten wir eine Karnevalsbelehrung zur Zusammenarbeit mit der Müllabfuhr und der Polizei und zum Thema Sicherheit, in der Hektik kann ja viel passieren. Wir arbeiten mit Kehrmaschinen, da muss man immer gucken: Die Leute laufen uns in den Weg, die Kinder springen vor die Maschine, um noch ein paar Bonbons zu bekommen. Wenn man zwei Stunden mit der Maschine hinter einem Zug hergefahren ist, ist man platt, danach macht man nicht mehr viel.

 

Als ich vor neun Jahren bei der AWB angefangen habe, war ich noch in der Innenstadt eingeteilt. Wenn wir Weiberfastnacht loslegen wollten, waren die Straßen rund ums Gürzenich, am Heumarkt und am Alter Markt oft noch proppevoll, und wenn wir mit den Maschinen da durch mussten, konnte es schon mal eng werden. Jetzt arbeite ich meistens in den Außenbezirken, da ist es angenehmer, familiärer. Am Straßenrand sieht man jedes Jahr dieselben Leute, die begrüßen uns als »orangene Funken« und kommen schonmal mit Getränken oder dem ein oder anderen Würstchen zu uns. 

 

Seit es das Glasverbot gibt, geht die Arbeit schneller. Früher hatten wir oft Plattfüße an den Maschinen, in der Altstadt und im Kwartier Latäng war ständig unser Werkstattwagen unterwegs. In den letzten Jahren hatten wir kaum noch Reifenschäden.

 

Ich komme aus Mauenheim und feiere Karneval mit meiner Frau gern in Nippes. Wenn dort dienstags der Zug geht, bin ich morgens noch bei der Nachreinigung in Rodenkirchen. Meistens sind wir relativ zügig durch und wenn ich mich dann beeile, schaffe ich es noch rechtzeitig nach Nippes. 

 

 

Patrick Decker arbeitet als Straßenreiniger bei den Kölner Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB)