Schweigen im Zeichen der Flut

Für die Düsseldorfer Regisseurin Marlin de Haan war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs 2014, Google zum »Recht auf Vergessenwerden« zu verpflichten, Auslöser für ihr Projekt »Das Schweigen im Zeichen der Flut«. Google wurde vor zwei Jahren durch das Urteil dazu angehalten, Verantwortung für seine Suchmaschine zu übernehmen. User können nun Anfragen an Google richten, Fotos, Videos oder Texte, sprich: Spuren, die man im Netz hinterlässt, zu löschen, sie vergessen zu machen. Seitdem sind Hunderttausende Löschanträge bei dem Unternehmen eingegangen.

 

Was für Google gilt, gilt auch für das Theater, findet Marlin de Haan. »Das Recht auf Vergessenwerden gibt es auch hier. Es ist eine Konstante in unserer Arbeit.« Das stimmt. Nur lässt sich ein Theaterabend nicht wie im Netz wirklich reproduzieren. Die digitale Kopie gibt es hier nicht. Das Theater lebt und stirbt mit dem Live-Moment auf der Bühne. »Manchmal spielen wir ein Stück nur dreimal, und dann ist es für immer verloren.« Die Macher haben kaum Einfluss darauf, was die Zuschauer vergessen oder woran sie sich erinnern werden. Wer oder was entscheidet also, was erhalten oder in der Erinnerung gelöscht wird? Was macht den Moment einmalig, wie wird er verhandelbar?

 

Diese Fragen stellt die Regisseurin in »Das Schweigen im Zeichen der Flut«; ein Text der Berliner Autorin und Informationswissenschaftlerin Charlotte von Bausznern, der sich den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Theatermitteln und Performance widmet. Auf der Bühne sehen wir drei Schauspieler als Wissenschaftler, die an einer Maschine arbeiten, einem Sprachprogramm. Diese Maschine ist so etwas wie die vierte Rolle, der heimliche Star der Aufführung. Diese Metaebene wird als essentieller Bestandteil mit der textlichen Rahmenhandlung verknüpft. Den Schauspielern bleibt überlassen, was sie aus der Textfassung spielen. Sie versuchen dort im Theater, wo auf die Einmaligkeit des Moments vehement bestanden wird, die Wiederholbarkeit für uns zu finden.