Louis François Cassas, Bogentor, Längsschnitt, Feder in Schwarz, laviert

Ausgelöscht

»Palmyra — Was bleibt?« zeigt Architektur­zeichnungen der zerstörten Stadt

Palmyra war hierzulande längst berühmt, bevor im August 2015 der sogenannte Islamische Staat die syrische Stadt eroberte, einige ihrer antiken Bauwerke als Setting für ihre Massaker missbrauchte und schließlich diese Architekturen gnadenlos zerstörte. Bereits das aufs Exotische und Antike versessene Europa des 18. Jahrhunderts kannte die Oasenstadt, die einst am östlichsten Rand des römischen Imperiums lag. Griechisch-römische und lokale Kulturen und Kulte, frühes Christentum, später der Islam folgten hier aufeinander, nutzten dieselben Gebäude. Seit 1980 gehört Palmyra zum Weltkulturerbe.

 

Syrische Truppen haben die Stadt mittlerweile zurückerobert, Was im Sommer des letzten Jahres dennoch verloren gegangen ist, führt eine Ausstellung im vergrößerten graphischen Kabinett des Wallraf-Richards-Museum eindrucksvoll vor Augen. Zu sehen sind gut vierzig Blätter des französischen Bauzeichners Louis-François Cassas (1756–1827). Der damals hochgeschätzte Spezialist für architektonische und archäologische Dokumentationen verbrachte im Rahmen einer mehrjährigen Orientreise 1785 einige Wochen in Palmyra. Dort vermaß er akribisch genau die Attraktionen, also  Bel- und Baalshamin-Tempel, die Säulenstraße, das Diokletianslager und mehrere Turmgräber, fertigte vor Ort Studien und Skizzen, die Grundlage der später ausgeführten Zeichnungen waren.

 

Cassas hat Palmyra in seinen Ansichten wohl etwas römischer, klassizistischer gemacht als es war. Bei der Ergänzung verlorener Details wird er dem Geschmack und den Vorstellungen seiner Zeit gefolgt sein, was aber die von seinen außerordentlich sorgfältigen Zeichnungen ausgehende Faszinationskraft nicht mindert. Neben Präzision und Schönheit der Ausführung beeindrucken seine Darstellungen durch ihre Nachvollziehbarkeit: Stets leuchtet die vom Ganzen zum Detail, von Außen nach Innen führende Folge der Zeichnungen ein. Grundrisse, Aufrisse und Schnitte sind so gewählt, dass sich eine plastische Vorstellung der Gebäude und damit mehr als ein Eindruck des Zerstörten ergibt.

 

Wieder einmal erweist sich die Graphische Sammlung und ihre Ausstellungsreihe »Der (un)gewisse Blick« als Aktivposten des Hauses. Forschung, Schaulust, Entdeckungsfreude greifen glücklich ineinander. Die eigenartige Gegenwart des Gewesen wird zum Rückblick nach vorn, auch wenn der Anlass für »Palmyra — Was bleibt?« ein katastrophales Verbrechen ist.

 

Wallraf-Richartz-Museum; Obenmarspforten 40, Di–So 10-18, jeden 1. und 3. Do im Monat 10–22 Uhr, bis 8.5. Erweitert wird die Ausstellung durch Vorträge, Gespräche und Führungen, auch in arabischer Sprache. Der lesenswerte Katalog kostet 14 €