Foto: Manfred Wegener

Häng de Fahn eruss!

Köln möchte Medien- und Musikstadt sein. Und verzichtete

jahrelang auf ein spezifisches Förderkonzept für die Popkultur.

Das hat sich jetzt geändert.

»Die starke und lebendige Popkulturszene in Köln bietet einen wichtigen Standortfaktor für die Kulturstadt Köln. Ihre Protagonisten fallen dennoch oft durch das Raster der klassischen Subventionskultur, weil sie Hybride aus Kunstszene und Kreativwirtschaft sind«, so lässt sich die Kulturamtsleietrin Barbara Foerster zitieren. In der Presse-Imformation der Stadt Köln ist weiter die Rede davon, eine »Verbesserung der Rahmenbedingungen, Strukturen und künstlerischen Qualität der Popkultur in Köln« anzustreben. Jetzt ist es also amtlich: Das Kulturamt legt ein »Popkulturförderkonzept Köln« vor. Es soll Transparenz schaffen bezüglich der Förderpraxis der freien Kölner Popkultur. Das »Raster der klassischen Subventionskultur« soll mithilfe des von Till Kniola federführend verfassten Konzeptes zumindest verfeinert werden. Kniola, Jahrgang 1971, hat seine Position Anfang 2014 von Manfred Post übernommen, der seit 1989 zunächst als »Rockbeauftragter«, später dann als »Referent für Popularmusik« aktiv war und Köln in seiner Entwick--lung von der Mundart-Metropole (Bap) über die Event-Hochburg (PopKomm) bis hin zum internationalen Aushängeschild elektronischer Musik (Kompakt, a-Musik) begleitet hat. 

 

Kniola, selbst als Kurator und Labelmacher im Bereich der experimentellen Elektronik agierend, hat einen deutlich akademischeren Einschlag als Post, der eher hemdsärmlig auftrat. Den aktuellen Stellenwert Kölns als Popmetropole skizziert Kniola im Konzept ambivalent: Die Domstadt zähle zwar »mit ihrer hohen Dichte und Vielfalt an Bands, Musikern und DJs, Clubs und Konzertstätten und zahlreichen Pop-Medien und Dienstleistern zu den Metropolen der Popkultur in Europa«, dennoch gebe es nach der Abwanderung der PopKomm und der Musikzeitschrift Spex nach Berlin keine identitätsstiftende Klammer mehr — eine Rolle, die in den Nuller Jahren noch das Label für elektronische Tanzmusik Kompakt ausgefüllt habe.

 

Oberstes Ziel sei es also, die Pop-Marke Köln, den »Sound of Cologne«, aktiv zu kommunizieren. Wobei mit dem »Sound of Cologne« nicht zwingend Minimaltechno gemeint sein muss, wie Kniola im Gespräch ausführt: »Es wäre falsch und unauthentisch, wenn das Kulturamt so tief inhaltlich denken würde. Es ist so gemeint: Lasst uns die Popfahne noch stärker schwenken, und wenn auf einmal die neuen Indiebands oder eine Band wie Wellness mit Surfpop und deutschen Texten zum Sound of Cologne werden, dann ist das auch gut.« Hilfreich für die Bedeutung auf der Landkarte wäre es jedenfalls, »wenn Köln zukünftig für einen eindeutigen Sound stehen würde, das könnte ja auch ein Label sein.« Die c/o Pop habe in gewisser Weise diese Funktion, decke aber auch nicht alles ab.

 

Ein Ergebnis von Kniolas Situationsanalyse ist, dass aktuell kaum größere Exportschlager aus Köln stammen, sich solche Phänomene aber auch nicht ohne Weiteres steuern lassen. Zudem gibt es in Köln derzeit nicht so viele überregional agierende Agenturen, die  Musikindustrie ist abgewandert: »In Hamburg oder Berlin sitzen die Labels, da können die Bands aufgrund der besseren Aufbauarbeit anders durchstarten.« Wenn man es daran messe, was in einer Stadt los sei, brauche sich Köln aber keinesfalls hinter den beiden anderen deutschen Metropolen zu verstecken. »Generell wäre viel mehr möglich, wenn man sich an die anderen Städte annähern würde«, stellt Kniola fest und bezieht sich dabei auf die Höhe der Fördergelder, die in den jeweiligen Städten fließen. Während Kniola für die jährliche Projektarbeit 145.000 Euro zur Verfügung stehen, lauten die Vergleichszahlen für Hamburg eine Millionen Euro und für Berlin 1,5 Millionen Euro. Allerdings: In den Stadtstaaten kommt das Geld aus mehreren Bereichen, die Labelförderung etwa aus dem Wirtschaftsbereich und die Club- und Konzertförderung aus der Musikabteilung. Zudem wird die Summe in Köln jährlich ergänzt um fixe Betriebskostenzuschüsse für die c/o Pop (150.000 Euro) und Popkultur Köln e.V. (40.000 Euro), der sich vor allem in der Herrichtung, Vermietung und Verwaltung von Musikproberäumen engagiert. 

 

Anhand dieser Zahlen ist aber auch zu erkennen, welch tragende Rolle die c/o Pop im Selbstverständnis der Popstadt Köln spielt. Das per defini-tionem eigenständige Festival — samt der assoziierten Cologne Music Week — wirkt bisweilen wie ein verlängerter Arm der Kulturverwaltung und nimmt in der hiesigen Szene die Rolle des Türöffners und Gatekeepers ein. Eine Einschätzung, die Kniola nicht teilt: »Ich möchte es so formulieren: Die c/o Pop ist das Standortfestival, dem wir viel zutrauen.«

 

Der verbleibende Etat soll laut Förderplan der Umsetzung dreierlei Zielen dienen: der Stärkung der Rahmenbedingungen und Strukturen (Spielstätten, Proberäume, Förderung des Pop-Nachwuchses, Workshops und Seminare für die Szene), der Stärkung der künstlerischen Qualität (Förderung von innovativen Veranstaltungen, Reihen und Festivals, Produktionsförderung und Sonderprojekte) sowie der Stärkung des Pop-Standorts Köln (Kommunikations-, Marketing- und Netzwerkaktivitäten, Cologne Music Export). Wobei sich die Punkte Sonderprojekte, gemeint ist eine gezielte Einzelförderung, und Cologne Music Export, Tourförderung im Ausland, laut Kniola nur mit einer zusätzlichen Etaterhöhung um 50.000 bzw. 35.000 Euro adäquat umsetzen ließen. Erst dann ergebe auch die geplante Einrichtung eines fünfköpfigen Fachbeirates zur Abstimmung über Förderanträge einen Sinn.

 

Innerhalb der Kölner Musikszene rufen das Förderkonzept und die Aktivitäten des Popreferats ein geteiltes Echo hervor. Ekki Maas, Bassist und Produzent von Erdmöbel, stößt sich grundsätzlich an der Unterscheidung zwischen E- und U-Musik: »Den Begriff Pop zu etablieren, heißt, wieder eine Unterscheidung von echter und Pop-Kultur einzuführen. Das finde ich ärgerlich.« Zudem hegt er die Vermutung, dass die Verwaltungskosten des Kulturamtes die zu vergebenden Gelder meist ohnehin übersteigen. Seine Band Erdmöbel habe in der Vergangenheit ein paar Mal das »Vergnügen« gehabt, mit dem Popreferat zusammenzuarbeiten, »meistens eher aus Solidarität mit dem Rockbüro und auf Basis von Selbstausbeutung«.

 

Judith Hess hingegen hat bei der Förderung eines Konzertes ihrer Indiefolk-Band Lingby mit einer 180-köpfigen Kinder-Big-Band gute Erfahrungen mit dem Kulturamt gemacht: »Die organisatorische Abwicklung war unaufwändig, die Fördergelder kamen pünktlich. Selbst leidige Aufgaben wie die Endabrechnung wurden mir sehr einfach gemacht.« Das vorliegende Konzept empfindet sie als schlüssig und umfassend. Was ihrer Meinung nach zu kurz kommt, ist die Generierung von Öffentlichkeit: »Die Zeit, in der Labels die Öffentlichkeitsarbeit für Bands übernommen haben und diese auf diversen Ebenen finanziell und promotiontechnisch unterstützt haben, ist schon lange vorbei.« Hier liege in ihren Augen ein weiteres Förderziel: »Eine Plattform zu schaffen, mit deren Hilfe eine breitere Öffentlichkeit mehr Bands und Musiker kennenlernen und verfolgen kann.« Auf den Touren ihrer Band durch Skandinavien habe Hess gesehen, »welch großen Unterschied es macht, wenn die Stadt oder gar das Land Kultur fördern und unterstützen, und wenn der Ort, an dem man lebt, eine wertschätzende Position für künstlerische Entwicklung und Aktivitäten einnimmt.«

 

Eine derart proaktive Rolle möchte das Popreferat aber nicht einnehmen: »Wir sind nicht Veranstalter, sondern  abhängig von den Ideen, die hereinkommen, also den Förderanträgen«, erklärt Kniola und führt aus: »Bei Antragstellern handelt es sich in der Regel um die Veranstalter, deren Aufgabe wäre es, die jungen, heißen Acts zu finden. Aber auch ich versuche, aktiv auf die Leute zuzugehen, und dafür zu werben, Anträge zu stellen. Es geht uns nicht um Antragslyrik, sondern um die Förderung guter Projekte. Dennoch sagen wir: Zu einem halbwegs professionellen Gebaren gehört, einen kleinen Kostenplan aufzustellen, zumindest Einnahmen und Ausgaben in eine Excel-Tabelle schreiben zu können.« Eine Position, die auch von Blue-Shell-Betreiber und Szene-Urgestein Rolf Kistenich gestützt wird: »Die kleinen Pflänzchen müssen gegossen werden, damit mehr draus werden kann. Vor der Förderung sollte aber immer auch die Eigeninitiative stehen, sowohl von Bands wie von Clubs, sonst kommt da nicht viel bei rum.«

 

Förderkonzept und Antragsformulare können auf der Seite der Stadt Köln heruntergeladen werden: 

 

stadt-koeln.de/leben-in-koeln/kultur/kulturfoerderung/popkultur