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Neues vom Abschwung

Der Kapitalismus kommt an sein Ende. Paul Mason erklärt, warum es danach besser wird

Als Wirtschaftsjournalist hat Paul Mason in den vergangenen Jahren einige Krisen erlebt. Er war 2008 an der Wall Street, als die Bank Lehman Brothers zusammenbrach, er hat 2011 auf dem Tahrir-Platz gestanden, als dort junge Ägypter gegen den Diktator Mubarak demonstrierten. Seine Griechenland-Berichterstattung für den TV-Sender Channel 4 im Sommer vergangenen Jahres gehörte zu den besten, weil Mason trotz Sympathie dem Führungszirkel der Regierungspartei Syriza kritische Fragen stellte. Gleichzeitig dokumentierte Mason die wachsende Kluft zwischen Bevölkerung und Regierung im Laufe der Verhandlungen. Als ehemaliger Trotzkist hat Mason vielen seiner Kollegen voraus, dass für ihn ökonomische Konflikte wesentlich für kapitalistisches Wirtschaften sind. Mason versteht sie einfach besser.

 

In seinem neuen Buch »Postkapitalismus« versucht er zu begreifen, was er in den vergangenen acht Jahren erlebt hat: eine kapitalistische Krise als Krise des Kapitalismus. Die Finanzialisierung der vergangenen Jahrzehnte versteht Mason mit dem sowjetischen Ökonomen Nikolai Kondratjew als Symptom eines dauerhaften ökonomischen Abschwungs, der vom Klimawandel und Ende der fossilen Ressourcen begleitet wird. Hinzu kommt ein Widerspruch, den Kondratjew und die Ökonomen des 20. Jahrhunderts noch nicht kennen konnten: der zwischen der mittlerweile verlustfreien Vervielfältigung von Information und ihrer Verwertbarkeit, die etwa durch Patentrecht und DRM wieder im Verwertungskreislauf erzeugt werden muss. Das klingt nach kalifornischer Digital-Prophetie, aber Mason ist schlauer: Ein Übergang zu einer postkapitalistischen Wirtschaft ist keine Frage der Technologie, sondern eine der Organisation der »aufgehobenen« Arbeiterklasse: der prekären Technologie-arbeiter im Westen und den Produk-tionsketten in Indien und China.  

 

Mason schlägt ein »Projekt Null« vor, eine Versuchsanordnung, bei der im Kleinen — in Peer-2-Peer-Projekten oder Energie-Genossenschaften — erforscht wird, was später allen zu Gute kommen könnte: ein Reformismus, der weiß, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem nicht mehr zu reformieren ist, der die Zukunft aber als Horizont und nicht als Vision begreift.

 

StadtRevue präsentiert

Lesung auf der phil.cologne: So, 22.5., Comedia, 20.30 Uhr

 

Paul Mason: »Postkapitalismus: Grundrisse einer kommenden Ökonomie«, Suhrkamp, 430 S. 26,95 Euro