Geringfügig strahlend

Bürgerinitiative KIMM will die Verbrennung von leicht radioaktivem Müll verhindern

Seit August vergangenen Jahres gilt bundesweit eine neue Strahlenschutzverordnung. Mit der Neuregelung wurden die zulässigen Grenzwerte gesenkt – im medizinischen Anwendungsbereich von 1,5 auf 1 Millisievert (mSv) und für beruflich strahlenexponierte Personen von 50 auf 20 mSv. Eine weitere wesentliche Neuerung stellt zudem die »geregelte Freigabe« dar, wonach so genannte leichtradioaktive Stoffe, mit einer Strahlung unter 10 mSv, von der strahlenschutzrechtlichen Überwachung freigestellt werden. Der strahlende Müll, wie z. B. Röntgenbilder, muss also nicht mehr gesondert entsorgt werden, sondern kann auf herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen bzw. Deponien landen. Die Kölner Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung (KIMM) versucht nun zu erreichen, dass die radioaktiven Abfälle nicht in der Kölner Müllverbrennungsanlage verbrannt oder auf der Deponie Vereinigte Ville deponiert werden. Die StadtRevue erkundigte sich bei Barbara Löcherbach, Pressesprecherin des zuständigen Landesministeriums für Arbeit, Soziales, Qualifikation und Technik, wie die neue Verordnung in NRW umgesetzt wird.
Ist die Angst der Bürger, dass aufgrund der Novellierung der Strahlenschutzverordnung in Zukunft leichtradioaktiver Abfall auf herkömmlichen MVAs und Deponien landet, begründet? Sind solche Abfälle vielleicht bereits dort entsorgt worden?
Radioaktive Abfälle dürfen nur dann in herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen oder Deponien beseitigt werden, wenn ihre Radioaktivität so gering ist, dass sie wie Hausmüll, mineralische Schlämme oder Textilabfälle beseitigt werden können. Ob das so geschehen darf, hat die zuständige Behörde im Rahmen eines Freigabeverfahrens nach der Strahlenschutzverordnung zu beurteilen. Freigabeverfahren sind schon vor der Novellierung durchgeführt worden, so dass solche Abfälle schon in MVAs oder Deponien gelandet sind.

Was für Abfälle fallen unter die Rubrik niedrigstrahlend? Sind die für die Klassifizierung angeführten Grenzwerte wissenschaftlich nicht umstritten?

Ist die Radioaktivität in Abfällen nicht höher als die Freigabewerte, so kann sie gemäß Strahlenschutzverordnung »außer Acht gelassen« werden. Umgangssprachlich kann man dann sagen, die Radioaktivität ist geringfügig, vernachlässigbar, kaum noch messbar oder unbedenklich. Die Freigabewerte sind auf internationaler Ebene wissenschaftlich abgesichert. Wird ihre Unbedenklichkeit bestritten, so handelt es sich um Mindermeinungen.

Das neue Verfahren soll transparenter sein und den Weg der betroffenen Stoffe besser nachvollziehbar machen. Gleichzeitig sollen diese Stoffe von der strahlenschutzrechtlichen Überwachung befreit werden. Ist das kein Widerspruch?

Vor der Novellierung wurden Freigabeverfahren einzelfallbezogen durch eine Verknüpfung der Strahlenschutzverordnung mit VodeAtomgesetz argumentativ begründet. Die Transparenz der heutigen Verfahren liegt in der klaren Formulierung der ausdrücklich für die Freigabe überlegten Vorschriften. Wenn die Überwachung von Stoffen aus radiologischen Gründen nicht mehr nötig ist, können sie freigegeben werden; ihre weitere radiologische Überwachung wäre widersprüchlich.

Tranzparenz bedeutet also, dass man eindeutig bestimmt, welche Stoffe als geringfügig radioaktiv freigestellt werden. Ist aber diese Transparenz für die Bürger ersichtlich, wie können die Bürger nachprüfen, was in ihrer Nachbarschaft verbrannt oder deponiert wird?

Der Einzelbürger kann dies sicherlich schlecht nachprüfen. Man hat die Möglichkeit sich an die zuständige Behörde zu wenden, in diesem Fall an das staatliche Umweltamt, und um Einsicht in die betreffenden Freigabeverfahren zu bitten.

Welche Einflussmöglichkeiten hat dann eine Bürgerinitiative überhaupt noch?

Solche Einflussmöglichkeiten sieht die Strahlenschutzverordnung nicht vor, allerdings wird eine Einflussnahme auch nicht verhindert.