Freiraum für Profis

Die »New Talents Biennale cologne« macht den Künstlernachwuchs öffentlich

Das augenscheinlich größte Projekt wird kaum zu übersehen sein. Julia Gruner erweitert das Genre Malerei zur Installation im öffentlichen Raum: Die Künstlerin überträgt Mikroskop-Aufnahmen von Farbe, Gesteinsschichten ähnlich, auf eine Hausfassade in der Kölner Innenstadt. Dem Betrachter eröffnet sich ein Wahrnehmungsspiel zwischen Mikro und Makro, wenn aus unzähligen Pigment-Pixeln ein monumentales und subtiles »Gemälde« entsteht.

 

Julia Gruner, die vergangenes Jahr ihr Kunststudium an der Düsseldorfer Kunstakademie abgeschlossen hat, ist eine von rund 50 Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Arbeit bei der New Talents Biennale Cologne vorstellen. Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren durch den Kunstvermittler Jochen Heufelder ist die Grundidee gleich geblieben. Das Festival möchte eine Plattform sein für Hochschul-AbsolventInnen, die sich in der Phase zwischen Abschluss und »Karriere« befinden. Experimentierfreudig bleiben, eigenes Profil entwickeln, Zugang zum professionellen Mark finden — wie geht das zusammen, in Zeiten, in denen »junge Talente« auch vorschnell verheizt werden?

 

»New Talents« versteht sich als Vermittler in die berufliche Professionalität, aber auch als Freiraum. Diese Doppelrolle gelingt weitgehend, weil sie die Kunst nicht in Sparten und Formate sperrt. Bildende Künstler treffen auf Talente aus Film, Komposition, Choreografie und Design, ein Crossover, das Interessen und Arbeitsweisen heutiger Künstler eher entspricht als Spartendenken. Alltagsnähe gilt auch für die Locations: Neben etablierten Kunstorten werden Gärten, Tiefgaragen, eine leerstehende Kölschkneipe, Büros und Ladenlokale zur Bühne für Ausstellungen, Screenings, Performances und Gesprächsrunden. Zudem ist die Biennale nicht nur »Trüffelschwein«, sondern auch Produktionshelfer. Im Bereich Musik vergibt sie Kompositionsaufträge und ermöglicht Uraufführungen.

 

Für Besucher heißt die beste Devise: Nach eigenen Interessen suchen — und Unbekanntes entdecken. Zum Beispiel die Marrokanerin Soukaina Joual mit ihrem Projekt »Halal«, ein Arrangement verstörend schöner Bilder, die allesamt dem Umfeld von Schlachthäusern entspringen. Joual ist dabei, weil die Richtung der »New Talents« zu mehr internationalem Austausch geht: Mit je zwei Künstlern kooperiert man erstmals mit den Biennalen Marrakesch und Havanna sowie mit der Hochschule Shanghai. In Köln treffen sie nun auf Künstlerkollegen, deren Talent schon häufiger aufgefallen ist: Bastian Hofmann, Vera Drebusch, Benjamin Ramírez Pérez, Sina Seifee, Sebastian Thewes.

 

new talents — biennale cologne,
21.5.–5. 6., Kulturquartier Agrippa am Neumarkt Köln und weitere Orte,
Eröffnung Sa 21.5., 16 Uhr in der Kölner DEG — Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, alle Infos auf 2016.newtalents-cologne.de