Humor als Notwehr

Heinz Strunk über sein neues Buch, den Zusammenhang zwischen Komik und Leid und die Jury des Deutschen Buchpreises

 

Herr Strunk, was haben Humor und Trostlosigkeit miteinander zu tun?

 

Es gibt zwei Arten von Humor. Es gibt diesen Karnevalshumor, von Leuten, die morgens schon fröhlich singend unter der Dusche stehen, weil sie sich an ihrem Leben erfreuen. Und es gibt Humor als Notwehr, als Möglichkeit der Distanzierung vom eigenen Elend.

 

Ihr Humor war stets der letztere. Bei aller Komik wohnte ihren Figuren immer eine Grundverzweiflung inne — in den Kurzhörspielen, in ihrem Bestseller »Fleisch ist mein Gemüse«. Ist es konsequent, jetzt über den eher tragischen Serienmörder Fritz Honka zu schreiben?

 

Viele, die sich mit meinem Werk nicht so beschäftigt haben, wissen nur: »Fleisch ist mein Gemüse«, das waren doch diese lustigen Anekdoten. »Der goldene Handschuh« kommt jetzt scheinbar überraschend. Aber all die Jahre waren auch immer Leid und Not meine Themen. Und bei Fritz Honka findet man das in seiner Essenz. Insofern war es kon­sequent, diese Figur zu nehmen.

 

Wie lange beschäftigt Sie das Thema schon?

 

Ich war 13, als der Fall bundesweit für einen medialen Aufschlag sorgte. Damals hätte ich nicht gedacht, dass mich das noch mal beschäftigen würde. Das än­der­te sich, als ich 2009 als Gast in die Kneipe »Zum Goldenen Handschuh« geriet, und das so interessant fand, dass ich fortan die ein oder andere Nacht dort verbracht habe. Was die Verbindung zu Honka dann gewissermaßen automatisch herstellte, da er hier verkehrte und seine Opfer kennenlernte. Daraus reifte die Idee, einen Tatsachenroman anzufertigen.

 

Das Ergebnis liest sich drastisch, ist stellenweise kaum auszuhalten. Diese zerschundenen und zermörserten Figuren, die »Verschimmelten«, die ganze Grausamkeit des Daseins entlang eines L-förmigen Tresens und eines halben Dutzends Tische.

 

Gelegentlich wird mir vorgeworfen, das sei alles zu hart, das entspreche gar nicht der Realität. Aber man muss nur mal in den Handschuh oder andere Kneipen dort reinschauen. Es reicht schon, wenn man über den Hamburger Dom marschiert, das Volksfest. Was man da an menschlichen Deformationen erlebt, das ist der Wahnsinn, da bin ich allenfalls halbwegs genau.

 

Bei aller Trostlosigkeit gibt es auch in »Der goldene Handschuh« Ko­misches. Begriffe wie »Schmiersuff« oder »Verblendungsschnaps«, Formulierungen wie »Lachen und Kotze sitzen nebeneinander in der Kehle.«

 

Ich habe quasi den Figuren überlassen, auch komisch zu sein. Wobei diese Art von Komik, diese bizarren Vorgänge und Formulierungen, für ein RTL-Comedy Publikum gar nicht als solche kenntlich ist. Die einzig gesetzte Gagstrecke als comic relief ist die Hafenrundfahrt, wo der typische Hamburger Schnacker seine Witzestrecke in immergleicher Abfolge liefert.

 

Nicht zu vergessen Honkas Bruder.

 

Auch so ein Schnacker. So was gibt’s ja auch heute noch: Ich war neulich zum ersten Mal in meinem Leben bei Fips Asmussen. Eine beeindruckende Gagmaschine: Keine verbin­dende Story, einfach nur ein Witz nach dem anderen in hoher Taktung und stoischem Vortrag. Schon auch sehr bizarr, das sind vor allem Sex-, Frauen- und Negerwitze. Aber der darf das, weil er 75 ist und die Leute das von ihm gewohnt sind.

 

Sie stehen mit »Der Goldene Hand­schuh« in einer Tradition der Au­ßen­seiterliteratur, die es hierzulande kaum noch gibt.

 

Es gab in Deutschland in den 60ern und 70ern eine Literatur von Autoren wie Hubert Fichte oder auch Jörg Fauser, die sich mit Außenseitern beschäftigt hat. In den USA war das vor allem Bukowski, aber auch Hemingway. Das ist in Deutschland in den letzten 20 Jahren nicht mehr so richtig passiert, diese Schilderung von den Geknechteten, den Elenden und Perversen. Ich glaube, das wur­de auch deshalb gut aufgenommen bei der Buchpreisjury. Endlich mal wieder so was, und keine Be­­fin­d­lichkeitsstudien oder öden Familienromane über den Untergang der DDR.

 

Hat Sie die Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse überrascht?

 

Ja, sehr. Damit war nicht zu rechnen. Weil ich ja so als Hans-Dampf-in-allen-Gassen gelte, bin ich davon ausgegangen, dass mir die nötige Seriösität abgesprochen würde, um in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden. Aber die Jury hat sich zum Glück nur auf das Buch bezogen.

 

Wie wichtig ist das für Sie — als Schriftsteller ernst genommen zu werden?

 

Im Zuge der Berichterstattung wurde ich häufig als Comedian bezeichnet. Damit habe ich nichts zu tun. Im Ernst: Wenn man die längst verdiente Aufmerksamkeit bekommt, ist das sehr schön. Ich bin ja nicht nur der lustige Heinzer aus »Fleisch ist mein Gemüse.«

 

Machen Sie in Zukunft nur noch, oder vermehrt ernsthafte Bücher?

 

Nein. Das nächste Buch, das bereits fertig ist, wird wieder sehr gaglastig sein, und auch stilistisch ganz anders. Aber dieses Autobiografische, das gibt’s nichts mehr. Ich werde jetzt überwiegend in der dritten Person schreiben. Leute, die ewiggleiche Formen bis zum Erbrechen fortsetzen, werden meist von Misserfolg gestraft. Außer man schreibt Harry-Potter-Bücher.

 

Zum Abschluss: Wie schmeckt Fako, ein Mischgetränk aus Fanta und Korn und Honkas Getränk der Wahl?

 

Besser als gedacht. Ich trinke das aber nicht mehr so viel, wenn ich in den Handschuh gehe. Ich bevorzuge Bier und Schnaps.