Verwässert

Nachtisch#46

Im Interview mit einer großen, in Berlin erscheinenden Tageszeitung, das man nur ohne scharfe Gegenstände im Haus lesen sollte, outete sich die Verlegerin Angelika Taschen als »Wechseljuicer«. Was das sein soll, weiß kein Mensch, sonderlich klug macht es augenscheinlich aber nicht. Unsere Arbeitshypothese für den Moment: Wechseljuicer sind Menschen, die zu Beginn des Frühlings aus ihrem Designbaumhaus kriechen und fortan Saft oder Wein nur in Kombination mit anderen Getränken, vorzugsweise Wasser zu sich nehmen.
Frühlingszeit ist Schorlenzeit, die beliebten Mixgetränke haben zeitgleich mit der Grillsaison Konjunktur. Schon allein aus gesundheitlichen Gründen darf man im Grunde nichts gegen die erfrischenden Muntermacher einwenden und nach dem Sport kann eine Apfelschorle natürlich lebensrettend sein. Aber was ist von Weinschorlen zu halten?

 

Neulich war ich in Klettenberg zu Besuch. Prima Wohnung, verkehrsberuhigt, geschmackvoll eingerichtet, üppiger Garten. Nur die Getränkeauswahl fiel ab: warmes Kölsch, ungarischer Rosé und dünnblumiger Sauvignon, immerhin aus der Pfalz. Sie ahnen es schon: Eiswürfel und Mineralwasser wurden ausgepackt, denn, so versicherte die unerschrockene Gastgeberin, damit schmecke der Wein bestimmt recht gut. Das ist so, als würde man die neue Radiohead auflegen und bei jedem Einsatz von Thom Yorke umgehend ausblenden, denn dann sei die Musik immerhin erträglich.

 

Damit mich niemand falsch versteht: Keiner soll gegen seinen Willen Alkohol oder zu viel Alkohol trinken, warum auch. Aber es soll auch niemand wissentlich mit Wasser verdünnten schlechten Alkohol trinken. Gut gemachte Weine schmecken am besten pur und unverdünnt, alles andere ist eine Beleidigung der Arbeit des Winzers. Weißweinschorlen sind die Tennisspieler mit hochgestelltem Polohemd unter den Getränken. Gegen das Verwässern der Getränke und Aufweichen der Vorlieben hilft nur konsequenter Starrsinn und zur Not auch kaltes, klares Wasser. Zwar wird immer von diesen sommerlich-leichten Terrassenweinen geschwärmt, dabei aber der Umstand völlig vergessen, dass die meisten Menschen gar keine Terrasse besitzen. Was im Urlaub mit Blick auf den Hafen von Honfleur noch geschmeckt hat, muss im Angesicht des Sülzgürtels noch lange nicht munden!