Fliegen im Juni nach London zur Sotheby’s Auktion: Max Beckmanns »Möwen im Sturm« 1942, Schätzpreis: £ 700.000–1.000.000

Es ist nicht leicht, aus dem Fenster zu gucken

Der WDR verkauft seine Kunstsammlung. Aber warum hat die Rundfunkanstalt diese überhaupt gesammelt?

Wenn aktuell die Sprache auf den Verkauf von Teilen der WDR-Kunstsammlung kommt, wird zu Recht über kulturelle Verantwortung und den Schutz von Kulturgut diskutiert. Angesichts knapper Kassen befürchten viele eine Welle von Veräußerungen öffentlicher Sammlungen. Andere fragen, warum eigentlich Kunst von den Gebühren gekauft werden sollte?

 

Angesichts dieser komplexen Debatte bleibt zu bemerken, dass die wenigsten bislang überhaupt von einer Kunstsammlung des WDR wussten. Wieso eigentlich nicht? Weniger Geheimniskrämerei als vielmehr ein mittlerweile selten gewordenes Kulturverständnis möchte man der Anstalt des öffentlichen Rechts hier unterstellen. Denn viele Jahre verstand man die Kunst nicht als Luxusgut oder gar Spekulationsobjekt, sondern das Arbeiten in ihrem Umfeld als unverzichtbare Einheit.

 

»Im Gleichklang mit der Ästhetik der Gegenwart« beschreibt Walter Vitt das Konzept. Rund zwanzig Jahre war der Journalist als Kunstexperte für den Ankauf zuständig, zunächst im Kunstausschuss des WDR, von 1987 bis 1999 dann als alleiniger Kunstbeauftragter. Vitt kaufte mit einem Jahresbudget von gerade mal 40.000 DM zum Beispiel die Fußball-Serigrafien von Fritz Genkinger für die Sportredaktion und Werke anderer Künstler, meist aus NRW, wie Bernard Schultze, Camille Leberer oder Lienhard von Monkiewitsch, wenn sie thematisch passten. Gerd Winner bat er, für den Konferenzraum des Reichard-Hauses, in unmittelbarer Nähe zum Dom ein Gemälde anzufertigen. »Bitte nicht den Dom« habe Vitt als Motivwunsch geäußert. Heraus kam: eine Ansicht des Doms. Allerdings eine, wie sie sich nur beim Blick aus jedem einzelnen der vielen kleinen Fenstern darbot — nämlich in zahlreichen Ausschnitten und Details.

 

Die Kunst spiegelte die Arbeit in den Redaktionen, das Gewusel in der Kantine, die Verantwortung in den Konferenzen. Sie zwang, den eigenen Blick immer wieder zu prü-fen. Die Reflexion des Hier und Jetzt war jedoch nicht immer Bedingung an die WDR-Kunst. In den 50er Jahren galt das Engagement den durch die Nazis verfemten Künstlern. Ankäufe von Werken von Max Beckmann oder Ernst Ludwig Kirchner sollten ein klares Zeichen der Wiedergutmachung sein. »Es schmerzt, dass gerade diese Bilder nun gewinnbringend verkauft werden sollen. Zumal die Erlöse verschwindend gering sein werden, gemessen an dem, was benötigt wird«. so Vitt.

 

Die Geschichte der WDR Kunstsammlung ist noch nicht geschrieben und wahrscheinlich wird sie dies nun auch nicht mehr. Das ist schade, denn sie könnte von einer besonderen Zeit vom Leben und Arbeiten mit der Kunst erzählen.