Reif für die Insel

Der Bildhauer Thomas Schütte hat sein eige­nes Museum auf der Insel Hombroich eröffnet

Seit Jahren sind es private Kunstsammler, die sich zur gut gewachsenen Privatkollektion auch noch das spektakuläre Privatsammlungsmuseum mit allem drum und dran gönnen. Manche komplett aus der eigenen, gut gefüllten Tasche finanziert, einige leisten Beachtliches und sind ein Gewinn für alle, Öffentlichkeit, Künstler und Betreiber. Dass sich aber ein Künstler oder gar eine Künstlerin ein großes Ausstellungshaus errichten lässt, kommt weit seltener vor. Die Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung ist eines dieser raren Projekte. Bei Neuss, in unmittelbarer Nachbarschaft der Raketenstation Hombroich und der Langen Foun-dation gelegen, ist sie ein weiteres erstaunliches Bauwerk in diesem kulturellen und architektonischen Sonderkosmos, den zu erkunden mehr als einen schönen Sommertag in Anspruch nimmt.

 

Der 1954 geborene Thomas Schütte ist ein erfindungsreicher, bei aller Brillanz stets widerhakiger Bildhauer. Er gehört zu den happy few, deren künstlerische Leistung gleichermaßen intensiv von Markt und Institutionen gewürdigt werden und so befindet er — bzw. seine Stiftung — sich in der angenehmen Lage, gut sechs Millionen Euro für dieses schlicht »Skulpturenhalle« genanntes Gebäude ausgeben zu können. Was davon sichtbar ist, ist der prächtige, öffentlich zugängliche Deckel für ein unterirdisches Skulpturenlager und ein Grafik-depot. Mit diesem verborgenen Bereich betreibt Schütte Vorsorge für seinen Nachlass. Hier ist die optimale Unterbringung der Arbeiten gewährleistet und zugleich die-nen diese als Fundus für museale Ausstellungen ohne auf launische oder gierige Sammler Rücksicht nehmen zu müssen. So gesehen ist dieser Ort auch eine gebaute Unabhängigkeitserklärung. 

 

Schütte ist nicht nur Bauherr sondern auch sein eigener Architekt (mit Unterstützung durch das Büro RKW). Architekturmodelle gehören seit den frühen 80er Jahren zu seinem skulpturalen Repertoire; vor allem in den letzten Jahren wurden einige Entwürfe als lebensgroße Bauten verwirklicht. Mit gut 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche und einem Nebengebäude ist die »Skulpturenhalle« der bislang größte Schüttebau. Schon die einfachen und doch wirkungsvoll eingesetzten Materialien verraten den versierten Bildhauer, der sich mit dieser ebenso funktionalen wie dezent irritierenden Halle auch als wirkungsbewusster Raumbildner erweist. Von Außen präsentiert sich das Gebäude als mit Holzlamellen verkleidete Ellipse, dessen markant überstehendes Dach ein gewaltiges Kugeloberflächensegment ist. Im Innenraum, der durch ein umlaufendes Fensterband mit Tageslicht geflutet ist, zeigt sich das stützenlose Dach als ein zur Hallenmitte hin einsinkende oder durchhängende Decke. Hier befindet sich auch ein dunkel verklinkerter, raffiniert gerundeter Kabinettbereich, dessen Wände leicht schräg stehen, was die Raumwahrnehmung diskret unter Spannung hält, ohne die Funktion der Halle als bestens funktionierenden Ausstellungsort zu beeinträchtigen.

 

Wer sich hier aufhält ist zwar von Schütte umgeben, aber es ist kein Schütte zu sehen; drei Grafiken im Kassenraum, das muss vorerst reichen. Die Eröffnungsausstellung ist dem Italiener Mario Merz (1925–2003) gewidmet. Lediglich zwölf, teilweise weit ausgreifende Arbeiten sind zu sehen, aber sie geben einen guten Einblick in das Werk dieses Hauptvertreters der Arte povera. War Merz zu Lebzeiten auch im Rheinland vielfältig präsent, ist er seit seinem Tod wie vergessen.

 


Mit dieser Präsentation auf den geschätzten Künstlerkollegen hinzuweisen — Merz war beispielsweise 1987 an der Ausstattung von Schüttes temporärem »Eis«-Bau für die Documenta beteiligt —, ihn wieder sichtbar zu machen, auch wenn Mode und Markt derzeit andere favorisieren, ist Ausweis kuratorischer Unabhängigkeit. 

 

Ein kurzer Weg könnte von Schüt-tes Skulpturenhalle zum Gebäude der Langen Foundation führen. Ein längerer, einmal durch die Rakenstation, verbindet den etwas versteckt liegenden Fontana Pavillion mit dem von Obstbäumen umstandenen Siza-Pavillion. Das erste Gebäude wurde errichtet, um Lucio Fontanas 1952 entstandenes monumentales Keramikrelief »Sole« angemessen präsentieren zu können. Vor gut zehn Jahren war sie für Markus Karstieß (*1971) Anstoß, sich ganz der Keramik zu widmen. Im wunderbar eleganten Ausstellungsbungalow des Pritzkerpreisträgers Àlvaro Siza ist Karstieß’ sehenswerte »Irden«-Ausstellung  bestens untergebracht. Und einen Klostergarten, ein »Goldenes Haus«, »Das böhmische Dorf« und manches mehr gibt es in dieser Landschaft in der Landschaft. Wege und Ziele für mehr als einen Tag.

 

 

Skulpturenhalle der Thomas Schütte Stiftung, Lindenweg/Ecke Berger Weg, 41472 Neuss; Fr–So 10–18 Uhr, die Merz-Ausstellung ist bis zum 14.8. zu sehen

 

Weitere Ausstellungen auf der Insel Hombroich: 

Helen Feifel, Langen Foundation, Raketenstation Hombroich, täglich 10–18 Uhr, bis 14.8.

Markus Karstieß »Irden« im Siza Pavillion, Fr–So 12–18 Uhr geöffnet, der Fontana Pavillion, S0o 12–18 Uhr, bis 7.8.

 

Der Klostergarten ist von Mai bis Oktober sonntags von 11–17 Uhr geöffnet