Amerikareisender in der Heimat: Thorsten Krämer in Sürth, Foto: Dirk Skiba

Reisen am Schreibtisch

Thorsten Krämer und Dennis Freischlad schreiben Reiseberichte über die USA

Eigentlich kann man heute keine Reiseberichte mehr schreiben. Welcher Ort ist nicht bereits kognitiv kartographiert, welche Geschichte ohne Vorbild? Wer nach Indien reist, hat Arundhati Roy im Gepäck, wer die USA besucht, kennt »Girls«, »Der Pate« und Jack Kerouac.

 

Dennis Freischlad macht aus seinem Überbildetsein auch keinen Hehl. In »Hymnus: Die Suche nach Amerika« besucht er die Vereinigten Staaten, um — so der Klappentext — herauszufinden, was sie »im Innersten zusammenhält«. Das Innerste ist jedoch bei ihm nach Außen gekehrt und so ist sein Reisebericht sowohl eine Reise durch die USA als auch eine durch die Bilder, die Amerika in 70 Jahren Kulturindustrie von sich erzeugt hat. Freischlad hat Spaß an den offensichtlichen Klischees und den verstiegenen Anekdoten, beides paart er mit einem subjektiven Erzählton, so dass man nie so ganz sicher ist, was daran nun erlebt, was erdacht und was angelesen ist.

 

»Ohne Ort kein Gedicht«, schreibt Thorsten Krämer im Vorwort seines neuesten Gedichtbands »The Democratic Forest«. Der Dichter müsse reisen, »wenn nicht in ferne Länder, dann zwischen zwei Buchdeckel.« Der Dichter dieser Zeilen wohnt im Kölner Süden und für seine Gedichte ist er zwischen die Buchdeckel eines Fotografen gereist. Ab den späten 60er Jahren fuhr William Eggleston quer durch die USA und hielt Details aus dem Alltag fest: Schaufensterauslagen, Baustellen, geparkte Pick-Up-Trucks oder die Überreste von Mahlzeiten. Eggleston brachte eine demokratische Ästhetik aus Farbfilmaufnahmen des verräterischen Beiläufigen in die Kunstfotografie.

 

Thorsten Krämer hat zu jedem Bild aus Egglestons Fotoband »The Democratic Forest«, zuerst erschienen 1989, ein Gedicht geschrieben. Aber anstatt die Bilder mit einem Infotext zu bedichten, wird Egglestons schweifender Blick zum Anlass für weitere Ab- und Ausschweifungen. Eine Fotoserie über die Ölfelder inspiriert zu einem Zyklus über komplizierte Prozesse in der Lohn- und Beziehungsarbeit, das Bild einer von Blüten umgebenen Statue zu einer Meditation über Schallwellen. Es stapeln sich Zeichen auf weiteren Zeichen in diesem Reisebericht, für den man zum Glück keinen Fuß vor die
Tür setzen muss.

 

Stadtrevue PRÄSENTIERT

 

Amerika! — Thorsten Krämer & Dennis Freischlad.

Mo 4.7, 19.30 Uhr, Literaturhaus

 

Dennis Freischlad: »Hymnus: Die Suche nach Amerika«, Dumont, 350 S. 14,99 Euro

Thorsten Krämer: »Der Demokratische Wald«, Bueterich Press, 160 S. 19,99 Euro