Unbekannt (Deutschland), Kopf eines bärtigen Mannes, mit über das Blatt verteilten Rechenauf­gaben, Feder, 220×200 mm, courtesy: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln

Rütteln am Fundament

Das Wallraf-Richartz-Museum zeigt eine unkonventionelle Hommage an den Poeten, Fotografen und Filmemacher Marcel Broodthaers

Als 1976 Marcel Broodthaers an seinem 52. Geburtstag in einem Kölner Krankenhaus verstarb, hatte er eigentlich erst begonnen. 1964 verkündete der belgische Poet und Essayist, von nun an als Künstler tätig zu sein. Gleichwohl blieb er dem Wort treu, Broodthaers konzeptuelle Kunst war dabei meist der Form des Essays näher als dem Gedicht, zumindest schallt so sein Echo aus der Kunstgeschichte. Dennoch ein lautes Echo, seine Befragungen der Institution »Museum« wurden in den 90er Jahren zu einem zentralen Anliegen aktueller Kunst. Und heute?

 

Das Museum Wallraf, welches Broodthaers einst in einer seiner Arbeiten erwähnte, stellt sich einigen der von ihm aufgeworfenen Fragen. Vielleicht mehr Relativierungen als Fragen. So zeigt das Grafische Kabinett Werke zweiter Wahl aus der eigenen Sammlung, eigentlich in die Dunkelheit der Aufbewahrungsschränke verbannt, darunter auch als eher missglückt bewertete Kreidezeichnungen Rubens. Wer bestimmt, was Bedeutung hat? Wie gestaltet das Museum unsere Wahrnehmung von Kunst und Kunstgeschichte? Jenseits des Kabinetts nischt sich die Ausstellung unauffällig ein. Auf der dritten Etage laden Stiche nach Eduard Julius Friedrich Bendemanns »Die trauernden Juden im Exil« zu einer Diskussion über den Anspruch an Originalität ein. Welchen Rang hat die Kopie? Ist sie Variation? Ja gar: Was ist ein Kunstwerk?

 

Einen kleinen Einblick in Broodthaers’ eigene künstlerische Sprache erhält man in einem versteckten Studienraum zwischen den Etagen: Arbeiten aus der Sammlung Reiner Speck, der auch einen sehr persönlichen Text zum Katalog beitrug. Die ausgewählten Facetten von Broodthaers’ Oeuvre sind sehr dem Wort verbunden, wie etwa jene Arbeit, die das Wallraf erwähnt. Doch zugleich schaffen sie phantastische, subversive Konstellationen, kommentieren nicht nur, sondern verbildlichen. 

 

Das soll auch der im Video festgehaltene Papagei von Julius Brauckmann, welcher im Foyer die Namen hochgehandelter Künstler krächzt. Broodthaers selbst bezog sich auf den Papagei als Nachplapperer, was der Sprachfähigkeit des Vogels nicht gerecht wird. Doch hat er die Künstlernamen wohl wirklich bald vergessen. Ebenso wird das Museum zum Alltag zurückkehren. Nicht aus Bosheit, sondern weil eine eingeübte Form oft als beste aller Lösungen gilt.

 

Broodthaers Nachwirkung?


In Kunstdiskursen ist sie enorm, als Aufforderung, es anders zu machen erschien sie vielleicht zu kryptisch.

 

 

»Das Gedächtnis, die Stadt und die Kunst II — Für Marcel Broodthaers«, Wallraf-Richartz-Museum — Fondation Corboud,  bis 14. August

 

Veranstaltung: »Kunstspäti: Durch den Abend mit Marcel Broodthaers und den Symbolisten«, Do, 21.7., ab 19 Uhr