Foto: Dörthe Boxberg

Stretch or bust

Bootcamps kennt man vor allem aus Militär- und Pfadfinderfilmen. Rumgebrülle, Disziplin und verschwitzte Körper. Bootcamps sind aber auch ein angesagter Trend in der Kölner Outdoor-Sport-Szene. Wir stellen drei von ihnen vor

So hatte ich mir das vorgestellt! Eine sattgrüne Wiese, 23 Grad an einem lauen Sommerabend — und aus dem Hintergrund beschallen Brings in angenehmer Lautstärke die Szenerie. Die widmen sich im Rheinenergie-Stadion ihrem Soundcheck. Hach, das also ist er, dieser Outdoor-Sport! Das denke ich zumindest, während ich auf meine erste Trainingsstunde warte. Ich bin zwar der Erste am Treffpunkt, bald aber längst nicht mehr der Einzige. Von Minute zu Minute werden wir eine größere, durchaus bunt gemischte Gruppe. Unser Trainer heißt Kenni. Man hätte die Phrase »So breit wie hoch« auch für ihn erfinden können. Übrigens ist er ziemlich groß gewachsen. Hauptberuflich gießt Kenni als Personal Trainer Kölner Profisportler und Prominente in ihre gewünschte Idealform. Mit seiner Statur, tiefer Stimme und Vollbart, ist er eine imposante Erscheinung. Es braucht aber nur wenige Sätze, bis ich merke, dass jeder der etwa fünfzig Kursteilnehmer — Weibchen wie Männchen, Alt wie Jung, Sportler wie Gelegenheitsbeweger — Sympathie für ihn zu hegen scheint. Das ändert sich auch nicht, als die ersten Regenwolken aufziehen und Kenni uns zum Training nicht auf die Wiese bittet, sondern auf den Asphalt daneben. Fester Stand ist gefragt. Eine Stunde führt er durch ein Work-out, das wir ohne Geräte bewerkstelligen und das unsere Körper, jedenfalls meinen, in Gänze beansprucht. Das merke ich keuchend und schwitzend schon vor Ort, erst recht aber am nächsten Morgen, als die ersten Schritte ungleich beschwerlicher sind als gewohnt. Mission erfüllt! 

 

Draußen-Sport prägt das Kölner Stadtbild. Spätestens seitdem sich die Temperaturen in den höheren Plusgraden eingependelt haben und sich die Dunkelheit morgens wie abends zurücknimmt, sind die Grünflächen der Stadt nicht nur Grill- und Sonnenplätze, sondern auch: Sportplätze. Für wenige Einzelkämpfer, die ihre Laufrunden drehen oder ihre Liegestützen runterzählen, aber auch für organisierte Sportgruppen. Zusätzlich zu vielen individuellen Möglichkeiten über Trainingsprogramme und Fitness-Apps wachsen Angebot und Nachfrage nach angeleitetem Sporttreiben unter freiem Himmel stetig. fit.KÖLN ist einer dieser Anbieter — ein ziemlich junger obendrein. Vor knapp eineinhalb Jahren haben Sebastian Lange und Arne Greskowiak ihr Projekt gestartet. »Wir hatten das Ziel, mit einem kostenlosen Angebot viele Leute zu aktivieren — auch und gerade diejenigen, die lange keinen Sport gemacht haben«, so Lange. Damit ist das entscheidende Stichwort für fit.KÖLN bereits gefallen: kostenlos. Das Projekt trägt sich durch externe Geldgeber. »Natürlich ist Personal-Training eine super Sache, aber man muss auch schauen: Wer kann sich das leisten?«, sagt Lange. Mit fit.KÖLN sollen große Gruppen mit heterogenem Fitnesszustand professionell trainieren können. 

 

»Original Bootcamp« — was für eine Ansage! Und das zur besten Drill-Zeit: wochentags um halb sieben. Morgens, versteht sich. Das war’s allerdings schon mit jedwedem Militär-Anstrich: Bei herrlicher Aussicht über einen menschenleeren Beethovenpark versammeln sich aus allen Parkrichtungen zehn Frühaufsteher im Zeichen des Sports. Unser Trainer Christoph sieht nicht nur fitter, sondern auch deutlich wacher aus als wir übrigen Early Birds. Es dauert nicht lange, bis auch wir richtig wach sind. Nach ein paar Aufwärm- und Koordinationsübungen finden wir uns in einem Stationentraining wieder. Drei Durchgänge à acht Übungen. Mal brennen Arme, mal Oberschenkel, mal der Bauch — und mal alles gleichzeitig. Während mein Magen nach Frühstück fragt, hören meine Ohren woanders zu: »Stay strong!« spricht die Stimme aus dem kleinen Lautsprecher in unserer Mitte. Damit bin wohl ich gemeint. Die Stimme zählt die verbleibenden Sekunden herunter, in denen wir in der Übung bleiben sollen. Dürfte sie schneller machen, wenn’s nach mir ginge. Die Zeit ist auch schon mal zügiger vergangen. Trotzdem: Die Trainingsstunde insgesamt fühlt sich kurzweilig an — und ich mich für den Resttag glänzend. Früher im Büro als ich war auch niemand. Noch eine Premiere. 

 

Das Original Bootcamp ist der größte gesamtdeutsche Anbieter von Outdoor-Fitness und als solcher in 37 Städten vertreten. Der Startschuss fiel 2010 nirgendwo anders als in Köln. Allein hier bietet Original Bootcamp mittlerweile neunzig Stunden Training pro Woche. Warum es diesen Namen trägt, wird bei einem Blick auf die Kurspläne ersichtlich: Für jeweils acht Wochen schreiben sich maximal zwölf Teilnehmer für einen Trainingsblock ein. Ernährungsberatung und kleine Challenges inklusive. Der Camp-Charakter schaffe Verbindlichkeit und Gruppenzusammenhalt, sagt Christoph Adelmann von Original Bootcamp. Wie seine Kollegen der anderen Anbietern wird auch er nicht müde zu betonen, dass Outdoor-Sport grundsätzlich niemanden ausschließe. »Unser Angebot ist für alle«, so der Sportwissenschaftler. Niemand solle gehemmt sein, es auszuprobieren. Die Belastung könne stets individuell an das Leistungsniveau angepasst werden. »Vom Leistungssportler bis zum Nichtsportler kann jeder was für sich mitnehmen.«

 

Gefremdelt wird hier nicht. Wie alle übrigen Teilnehmer bekomme ich von Philipp, meinem Coach für die nächste Stunde, eine Umarmung, als ich mich am Fuße des Colonius’ einfinde. Die Berührungsängste sind abgebaut. Und aufgebaut werden die Muskeln. Mein Leidensgenosse heißt Christian, mit dem ich Seite an Seite die 13 Übungen abreiße und der
mein Erschöpfungsschnaufen schon bald so gut kennt wie ich seins. 


Der anspruchsvolle Trainingszirkel fordert alles an meinem Körper, was Muskelkater bekommen kann. Dass es -Philipp darauf abgesehen hat, wird nicht verklausuliert. Ganz im Gegenteil. Philipp ist ein fordernder Motivator, wie ich mir Felix Magath immer vorgestellt habe. »Der liebe Gott macht auch Sport — und das ist sein Schweiß«, sagt er, als es zu regnen beginnt. Vielleicht sind es auch Tränen der Erschöpfung, denke ich mir, als ich Klimmzüge an einem Klettergerüst mache. Ein paar Meter neben mir hat ein Ehepaar seinen Sonntagsspaziergang unterbrochen und beäugt uns mehr mit Ver- denn mit Bewunderung. Eine Joggerin ist da begeisterter. Sie hält an und fragt nach den nächsten Trainingszeiten. Die Übungen haben es in sich, sind aber abwechslungsreich und keine unnütze Schinderei. Unter den knapp zwanzig Teilnehmern und unserem herzlichen Drill Instructor herrscht eine vertraute Atmosphäre. 

 

Das Outdoor Gym ist nach dem Original Bootcamp der größte Anbieter in Köln und ebenfalls deutschlandweit vertreten. Ähnlich wie bei Fitness-Studios gibt es auch feste Mitgliedschaften, die über ein halbes Jahr laufen. »Wir sind für viele unserer Kunden wie ein klassischer Sportverein — mit all seinen sozialen Kontakten«, sagt Philipp Lamberts. Der ist Standortleiter Köln, steht aber auch noch als Trainer in den Parks. Die bieten ihm und seinen Kollegen der anderen Anbieter alle Möglichkeiten, die es für ein ausgewogenes Fitnesstraining braucht. »Du musst ein wenig kreativ und flexibel sein, aber draußen kannst du eigentlich alles machen, um fit zu werden. Das ist auch für Trainer eine gute Sache«, so Lamberts. »In den letzten zwei, drei Jahren ist das Interesse explodiert», sagt Lamberts unisono mit den Mitstreitern der Konkurrenz. »Und ich glaube, wir sind noch längst nicht am Ende.« Neben fit.Köln, Original Bootcamp und Outdoor Gym, gewissermaßen die erste Reihe der Kölner Draußensportler, finden sich noch zahlreiche kleinere Anbieter. »Insgesamt ist das eine tolle Bewegung, die sich da in Gang gesetzt hat«, sagt Christoph Adelmann. Der städtische Lebensraum könne vom Draußensporten nur profitieren, zumal Köln mit seinen Parks und Grünflächen hervorragende Möglichkeiten biete. Das findet auch Lamberts, schränkt jedoch ein: »Die Stadt Köln könnte manchmal kooperativer sein. Auch wenn es sich um kommerzielle Anbieter handelt, haben wir ja das Anliegen, die Stadt in Bewegung
zu bringen.«