Der Weltekel der Jugend

In »Magic Afternoon« lässt Regisseur Matthias Köhler gegen die Selbstoptimierung anspielen

 

Tristesse, Aggression, Rausch. Aus diesen drei Zutaten hat der österreichische Dramatiker Wolfgang Bauer sein explosives Stück »Magic Afternoon« gebaut. 1968 ein Überraschungserfolg, nachdem es vor der Uraufführung in Hannover von dutzenden Verlagen abgelehnt worden war. Nun wird der Einakter auf der Spielwiese des Nachwuchses am Schauspiel, in der Grotte, wiederbelebt. 

 

»What a beautiful state we’re in« singen die vier Schauspieler zu Beginn. Sie sitzen verträumt oder vergrämt guckend auf einer Empore. Mit dem melancholischen Sound von The Kills‘ »Goodnight bad morning« schafft Jungregisseur Matthias Köhler einen romantisierenden Einstieg. Es ist eine Romantik, die sich nicht einlösen wird. Die vier sind, zumindest nach bürgerlichen Maßstäben, in keiner guten Verfassung. Charly (Philipp Pleßmann) und Birgit (Magda Lena Schlott ) hängen ab, trinken, machen Witze, streiten, bis sie sich prügeln. Im Kino läuft nichts. Theater ist eh langweilig. Dann kündigt sich Joe (Simon Kirsch) an, der seine Flamme Monika (Lena Geyer) mitbringt. Dazu Gin und guten Stoff. Der magic afternoon beginnt. Zunächst unterhalten sich die beiden Wannabe-Schriftsteller Charly und Joe aber noch, wie man schreiben soll: »So, wie man spricht halt.« Damit ist die Poetik klar. Der Zuschauer wird in den nächsten sechzig Minuten am Gewöhnlichen teilhaben und an dessen Eskalation. Der magic afternoon wird zum Albtraum, wenn Drogenrausch und kindliches Spiel in krasse Gewalt umschlagen. Einer wird den Nachmittag nicht überleben.

 

Regisseur Köhler vertraut in seiner Inszenierung zu Recht auf die Schauspieler. Auf der kleinen Bühne ist es Philipp Pleßmann, der als Charly gut gefällt: Ob besoffen ausgelassen, spleenig verdrogt oder einfach gelangweilt. Brillant: das kraftvoll aggressive Spiel der beziehungstechnischen Spannungen mit Magda Lena Schlott. Simon Kirsch gibt seiner Figur eine boshafte Kälte mit, besonders in einer Vergewaltigungsszene, die ans Eingemachte geht. Lena Geyers Figur, das weibliche Mitbringsel, hat zwar wenig Redeanteil. In ihrer Rolle als stille Beobachterin spiegelt sie aber immer wieder die Perspektive des Publikums: den Blick von außen. V-Effekt lässt grüßen.

 

Eine weitere Distanzierung zur Aufführungssituation: Den Rhythmus geben Musikeinspielungen vor. Die Schauspieler »schnippsen« per Blick zur Technik die Songs an. Ein intensiver Abend, der ohne viel Brimborium auskommt und durch ein erschreckendes Ende, dem Köhler noch ein ironisches Splatter-Häubchen verpasst, überzeugt. Warum sich der Regisseur sich für das Stückentschieden hat? Es bildet einen provokanten Gegenentwurf zur auf Optimierung ausgerichteten Jugend.