Das Kochen verselbständigte sich — Hussam Naser Eddin und Mohammed Moshmosh erhalten fortan Einladung um Einladung, Foto: Manfred Wegener

Baba Ghanoush in Bergisch Gladbach

Zwei syrische Köche leben seit knapp sechs Monaten in der Nähe von Köln. Kochen hat für sie eine neue Bedeutung bekommen: als Weg in die deutsche Gesellschaft. Wir haben sie einen Tag begleitet

Minze zupfen, Zwiebeln hacken, Tomaten filetieren: Es braucht keine nennenswerten Küchenkenntnisse, um zu erkennen: Hier verrichten fachmännische Hände ihr Werk. In beachtlichem Tempo, mit feinster Präzision. Für Hussam Naser Eddin und Mohammed Moshmosh sind das routinierte Abläufe, das kleine Einmaleins zwischen Herdplatten und Spülbecken. Bevor sie aus ihrer syrischen Heimat geflohen sind, waren sie Köche. In ihrer Heimat bestritten sie damit ihren Lebensunterhalt. Nun ist es vor allem eins: ihr Werkzeug für das Ankommen in Deutschland. »Oh, wir haben so viele Termine«, sagt Naser Eddin mit einem langgezogenen »o«. Dabei lacht er aus den Tiefen seines stattlichen Brustkorbs. 

 

In den vergangenen Monaten haben sich Naser Eddin und Moshmosh in Bergisch Gladbach einen Namen gemacht. Es begann in der Flüchtlingsunterkunft in Frankenforst, einem Stadtteil von Bergisch Gladbach, in der sie zunächst untergebracht waren. Die Bewohner dort organisierten ihre Versorgung selbst — allen voran Naser Eddin und Moshmosh. Was folgte, würde im aufgeblähten Sprech der Verkaufsförderung wohl virales Marketing heißen: Die Einen erzählen es den Anderen, während fünf Weitere dabei sind, die wiederum auch drei Andere kennen, die genau das unbedingt wissen möchten. Kurzum — das Kochen verselbständigte sich. Hussam Naser Eddin und Mohammed Moshmosh erhalten fortan Einladung um Einladung — zu Gemeindefeiern, zu Gartenfesten in der Nachbarschaft, zu Geburtstagen, zu Hochzeiten. »Wir machen Party«, sagt der 43 Jahre alte Naser Eddin. »Wir mögen das. Wir kennen das so aus unserer Heimat.« Manchmal kochen sie für ihre Gastgeber, manchmal mit ihnen. Eines aber ist immer gleich: Sie kommen in Kontakt. Sie erzählen die Geschichte ihrer Flucht — und werden danach gefragt. Als die beiden Moslems im Fastenmonat Ramadan vor dem Sonnenuntergang kochen, lassen sie die Speisen von anderen Anwesenden abschmecken. Wenn sie traditionelle syrische Gerichte zubereiten, erzählen sie, was es damit auf sich hat. »Wir haben viele Freunde«, sagt Naser Eddin.

 

An diesem Freitagmorgen im Juli wird die Mensaküche des Albertus-Magnus-Gymnasiums in Bensberg für einige Stunden zu ihrem Reich . Es ist der letzte Tag des Schuljahres, die Schüler sind mit ihren Zeugnissen auf dem Nachhauseweg und das Kollegium kommt ein letztes Mal vor den Sommerferien zusammen. Dazu gibt es für die 60 Lehrinnen und Lehrer Essen, zubereitet von Naser Eddin und Moshmosh. Den Kontakt hat Qiana Green, eine Lehrerin der Schule, hergestellt. Sie leitet ehrenamtlich den Inte--gra--tionskurs, den die beiden Köche seit knapp drei Monaten besuchen. Auf dem Menü stehen traditionelle syrische Küche, mit Damaskus-Kebab, einem Hackfleisch-Gericht, mit Baba Ghanoush, einer Auberginen-Creme, mit Taboulé und Hummus, dazu Reis als Beilage, aber auch mit Chicken Alfredo. 

 

Der 15. September 2015 hat sich eingebrannt in ihren Köpfen. »Da sind wir in München angekommen«, erzählt Naser Eddin. Ihre Flucht führte sie von Istanbul aus über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. In Deutschland ging der Stationenlauf weiter: Nürnberg, Coburg, Detmold, Bielefeld. Schließlich landeten sie in Bergisch Gladbach, Stadtteil Frankenforst, in der Grundschule an der Taubenstraße. »Wir wollten unbedingt nach Deutschland«, sagt Moshmosh. Die Behörden in München hatten die beiden nach Frankreich schicken wollen, vor allem Moshmosh, den 29-Jährigen, der in Damaskus ein Französisch-Studium abgeschlossen und auch als Lehrer gearbeitet hatte. Für sie aber gab es nur eine Option: Deutschland. »Wenn uns auf unserem Weg jemand erzählt hat, dass ihm Leute etwas Gutes getan haben, oder wir das selbst gesehen haben: Das waren immer Deutsche«, erklärt Naser Eddin.

 

Sie kommen beide aus einem kleinen Dorf in Syrien. Ain al-Fijah hat nur 5.000 Einwohner und liegt knapp 20 Kilometer südwestlich von Damaskus. Naser Eddin war dort zuletzt vor drei Jahren. Das Internet und Soziale Medien verbinden ihn mit seiner Heimat. Er zeigt Bilder von frischen Feigen im Sommer und meterhohem Schnee im Winter. »Hinter dem einen Berg steht Assad, hinter dem anderen der IS«, sagt er, als er auf das Gebirge deutet, das sich vor seinem Dorf aufbaut. »Fifty-fifty« — etwa die Hälfte des Dorfes sei zerstört, die andere nicht. Die Unruhen aber halten an. Moshmosh lebte wie viele seiner Landsleute bereits seit einigen Jahren in Istanbul. Naser Eddin war schon immer viel beruflich unterwegs: Er arbeitete etwa in der Küche des Königshauses von Jordanien, später einige Jahre in der Küche des Palasts des damaligen Emirs von Abu-Dhabi. Zuletzt lebte er in der jordanischen Hauptstadt Amman, wo er ein kleines Restaurant betrieb. Von dort aus machte er sich ebenfalls auf nach Istanbul. »Ich wusste, dass Mohammed aus meinem Dorf dort in einem Restaurant arbeitet. Ich bin hin und habe nach ihm gefragt«, sagt er. Vorher waren beide bekannt miteinander, aber nicht enger befreundet. Seitdem verbringen sie fast jeden Tag miteinander.

 

Die beiden sind ein eingespieltes Team — das merkt man auch in der Mensaküche sofort. Während des Kochens sprechen sie nicht viel, manchmal gibt es eine kurze Nachfrage an Naser Eddin, sozusagen den Chefkoch. Ihr Deutsch ist nach nur wenigen Monaten recht passabel, auch wenn das widerspenstige Wort »Dunstabzugshaube« noch für Unverständnis sorgt. Vor kurzem haben sie die Flüchtlingsunterkunft verlassen und eine eigene Wohnung in Bensberg bezogen. Naser Eddin hat, neben seinem Integrationskurs, an den Wochenenden eine geringfügige Beschäftigung in der Küche eines Thermalbades gefunden. Auch Moshmosh, der sich sein Französisch-Diplom in Syrien nur anrechnen lassen könnte, wenn er dort den Wehrdienst absolvieren würde — was er aber kategorisch ausschließt — sucht eine Küchen-Anstellung. Und mittlerweile besitzen beide auch wieder das, was einem Koch niemals fehlen darf: ein zuverlässiges Küchenmesser samt Schleifer. Sie haben es als Geschenk bekommen. »In meinem Haus in Syrien hatte ich 500 verschiedene Messer«, erinnert sich Naser Eddin. Die Freude über das eine, das er nun besitzt, trübt das nicht. Schließlich ist es gewissermaßen zu seinem Werkzeug für das Ankommen in Deutschland geworden. »Wir können uns nur immer wieder bedanken. So viele Leute helfen uns und sind gut zu uns«, erzählt er. Wie zum Beweis trägt er eine Kappe mit einem »Germany«-Schriftzug, die er eigens noch einmal richtet, als er beginnt, das Essen auszugeben.