Lernt Stopfen!

materialien zur Meinungsbildung /// folge 175

Die Menschen tragen worn jeans. Die Hosen haben Löcher. Die Löcher sind da reingemacht worden — von der Fabrik, wo die Hosen herkommen! Ein sinnloser zusätzlicher Arbeitsschritt, wenn man mich fragt. Reißen sie demnächst auch die Knöpfe von den Oberhemden, bevor sie in den Handel gelangen? Wenn selbst mir die zunehmende Durchlöcherung der Hosen auffällt, dann handelt es sich um einen Mega-Trend pandemischen Ausmaßes. Ist noch Zeit, das Antidot zu impfen?

 

So schwer es mir auch fällt: Aus Achtung vor den Trägern durchlöcherter Hosen will ich annehmen, dass sie noch alle Tassen im Schrank haben. Hoffentlich sind den Tassen neuerdings nicht auch noch die Henkel abgebrochen worden. Ich muss jetzt eine unbequeme Frage stellen: Das Hosenloch, wozu dient es denn? Mikro-Ventilation? Geht es beim Hosenloch um Belüftung, so wie beim Nasenloch? Nein, Löcher belüften nicht, sondern sind modern. Sagt jedenfalls Gesine Stabroth. 

 

Meinetwegen mögen Löcher in der Hose modern sein, schön sind sie nicht. Wer das nicht glaubt, sollte Oma Porz fragen statt Gesine Stabroth. Oma Porz hat noch Löcher in der Kleidung gestopft! Sollen die Hipster lieber Stopfen lernen statt Häkeln! Bio-zertifizierte Stopfpilze werden sich wohl auch noch auftreiben lassen. Gewiss ist: Das funktionslose Loch ist in der Mehrzahl der Fälle unnötig (Schweizer Käse) oder ein Defizit (Haushaltsloch) oder eine Beschädigung (Einschussloch). Woher dann der Kult ums Loch? Er ist umso verwunderlicher, da moderne Menschen sonst doch so wachsam sind wie Museumswärter, die zu viele Schulklassen gesehen haben. Sie achten unentwegt darauf, dass ihr neuer Beistelltisch oder das Smartphone nicht beschädigt werden. Aber ihre Hosen sehen aus, als hätten Monster-Motten sich daran gütlich getan. Ist das Loch gar die Signatur unseres Zeitalters: ein eigentliches Nichts, definiert durch seine Umgrenzung? Wird das nächste iPhone mit Loch statt Display vermarktet?

 

Was mich an den Löcher in den Hosen so abstößt? Es ist die Vortäuschung von etwa anderem, das Als-ob: Eine Jogginghose zu tragen, ist peinlich, wenn — aber auch nur dann! — man in Wirklichkeit gar keine Trimm-dich-Läufe damit unternimmt. Oder wenn man eine Pilotenjacke trägt, obwohl man bloß Flugangst, aber keinen Kampfjet hat. Oder wenn man eben Hosen mit Löchern anzieht, als wäre man damit durch den Amazonas gerobbt. Aber warum haben die Hosen nur Löcher, aber keine Flecken?  

 

Ich war neulich in Gesellschaft, und damit es nicht langweilig wurde, bekleckerte ich mich mit diesem Pestoschlabber, ohne den es heutzutage keine Mahlzeit mehr gibt. Selten habe ich Menschen so glücklich gemacht. Endlich gab es ein Gesprächsthema. 

 

Hat man Pestoschlabber auf einem Hemd, kann man zur Toilette rennen und rumschrubben und mit einem helleren, aber vergrößerten Pestoschlabberfleck zurückkommen. Man ist dann besudelt und wird noch hämischer begutachtet als zuvor. Mein Tipp vom Fachmann: Einfach sein lassen! Ich sage: »Du, nimm den Fleck an! Ja, sei der Fleck!« Wenn man keine Bediensteten zur Seite hat, die gleichwertige Ersatzkleidung reichen können, ist Seinlassen die einzige Lösung. Aber natürlich kommt irgendwann irgendjemand an und deutet auf den Fleck. Das ist an sich schon sehr ungehörig, denn es ist nie guter Stil, auf Offensichtliches hinzuweisen. Es ist indes das Allerletzte, sich diesen Tadel von Gesine Stabroth gefallen lassen zu müssen. Gesine Stabroth mit den Löchern in der Hose!

 

Ich entwerfe zurzeit eine Modekollektion mit Hosen, die werkseitig mit Pestoflecken ausgeliefert werden. Könnte klappen. Ich glaube, ich starte mit Grünkohl-Walnuss, vegan liegt im Trend.