»Gib mir einen Namen« von Jalal Alahmady
Nenne mir einen Grund,
warum ich dir vertrauen soll, lieber Gott.
So unschuldig bin ich nicht mehr,
dass ich mir die Augen mit dem Tuch des Schicksals verbinde
und dir folge.
Verrate mir,
wie ich mich am Eisschrank des Lebens bediene,
ohne Frost abzubekommen.
Wir
sind inzwischen erwachsen, lieber Gott,
du dagegen nicht.
Bis zur Erschöpfung haben wir unseren Kindern von dir erzählt.
Doch am Ende haben wir dich verloren
Stück um Stück
mit jeder Niederlage,
mit jedem, den wir an den Tod verloren,
Stück um Stück
je mehr sich die Legende behauptete,
um derer willen du uns erschaffen hast
und die wir glaubten.
Gib mir einen Namen, lieber Gott!
Gib mir den Mut, dich zu wählen,
und die Liebe, dich zu finden.
Jemen, 2011
Aus dem Arabischen von Leila Chammaa
Jalal Alahmady wurde 1987 in Saudi-Arabien geboren. Er ist ein postmoderner jemenitischer Dichter, der für seine polemische Bildsprache bekannt ist. 2011 gewann er den Preis des jemenitischen Präsidenten für Lyrik und 2014 den Abdulaziz-al-Maqalih-Preis für Lyrik.
Der hier abgedruckte Text ist ein Auszug aus dem gleichnamigen Langgedicht.