»Gib mir einen Namen« von Jalal Alahmady

Der eine polemisiert gegen Gott, der andere schildert seinen Kampf gegen Islamisten, die dritte beschreibt die Zweideutigkeiten des Alltags in ihrer Heimat Syrien. Jalal Alahmady aus dem Jemen, Mahmudul Haque Munshi aus Bangladesch und Colette Bahna aus Syrien können all dies in ihrer Heimat nur gegen Widerstände veröffentlichen. Deshalb sind sie zur Zeit in Deutschland, um in Ruhe schreiben zu können. Wir freuen uns sehr, dass wir ihre Texte in Zusammenarbeit mit dem Heinrich-Böll-Haus in Langenbroich, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem interkulturellen Literaturcafé fremdwOrte im Literaturhaus Köln in der StadtRevue veröffentlichen können.

Nenne mir einen Grund,  

 

warum ich dir vertrauen soll, lieber Gott. 

 

So unschuldig bin ich nicht mehr,  

 

dass ich mir die Augen mit dem Tuch des Schicksals verbinde 

 

und dir folge. 

 

Verrate mir,   

 

wie ich mich am Eisschrank des Lebens bediene, 

 

ohne Frost abzubekommen. 

 

Wir  

 

sind inzwischen erwachsen, lieber Gott, 

 

du dagegen nicht. 

 

Bis zur Erschöpfung haben wir unseren Kindern von dir erzählt. 

 

Doch am Ende haben wir dich verloren 

 

Stück um Stück 

 

mit jeder Niederlage, 

 

mit jedem, den wir an den Tod verloren, 

 

Stück um Stück 

 

je mehr sich die Legende behauptete,  

 

um derer willen du uns erschaffen hast 

 

und die wir glaubten. 

 

 

Gib mir einen Namen, lieber Gott! 

 

Gib mir den Mut, dich zu wählen, 

 

und die Liebe, dich zu finden. 

 

 

Jemen, 2011 

 

  

Aus dem Arabischen von Leila Chammaa

 

 

 

Jalal Alahmady wurde 1987 in Saudi-Arabien geboren. Er ist ein postmoderner jemenitischer Dichter, der für seine polemische Bildsprache bekannt ist. 2011 gewann er den Preis des jemenitischen Präsidenten für Lyrik und 2014 den Abdulaziz-al-Maqalih-Preis für Lyrik.
Der hier abgedruckte Text ist ein Auszug aus dem gleichnamigen Langgedicht.