»Die Skulptur von Lalon, dem Sänger: Die Bewegung der ­Banglakultur: Mein wehes Herz?…« von Mahmudul Haque Munshi

Der eine polemisiert gegen Gott, der andere schildert seinen Kampf gegen Islamisten, die dritte beschreibt die Zweideutigkeiten des Alltags in ihrer Heimat Syrien. Jalal Alahmady aus dem Jemen, Mahmudul Haque Munshi aus Bangladesch und Colette Bahna aus Syrien können all dies in ihrer Heimat nur gegen Widerstände veröffentlichen. Deshalb sind sie zur Zeit in Deutschland, um in Ruhe schreiben zu können. Wir freuen uns sehr, dass wir ihre Texte in Zusammenarbeit mit dem Heinrich-Böll-Haus in Langenbroich, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem interkulturellen Literaturcafé fremdwOrte im Literaturhaus Köln in der StadtRevue veröffentlichen können.

Erinnern Sie sich an die Skulptur von Lalon? Die Bewegung der Banglakultur? An das Standbild des Sänger Balaka? Das Gebrüll der Fanatiker? All das kam mir plötzlich wieder in den Sinn und erneut stieg die Trauer in mir auf. Ich weiß nicht mehr genau, wer mir zuerst von den Auseinandersetzungen um die Lalon-Skulptur berichtet hatte. Plötzlich erfasste mich ein brennender Wunsch, der Drang zu protestieren und wieder gegen die Verhältnisse
zu kämpfen?.... 

 

Es war wie damals, als dem bengalischen Volk Urdu als Landessprache aufgezwungen werden sollte: die bösartige Absicht, dem Volk die eigene Stimme zu nehmen.

 

Damals war ich eng mit der größten kulturellen Organisation der East Western University, dem Songho-Club, verbunden. Überall wurde von Tag zu Tag das Gefühl stärker, dass etwas in Bewegung kam. Die landesweiten Unruhen hatten die öffentlichen Universitäten bereits erfasst. Nun war der Moment gekommen, in dem sich mir die Frage stellte, ob wir, die Studenten einer Privatuniversität, nicht auch etwas unternehmen sollten?

 

Ich ging gemeinsam mit Vertretern verschiedener anderer Organisationen zum stellvertretenden Vizekanzler meiner Universität und teilte ihm mit, dass wir gerne eine Menschenkette für die Universität organisieren würden. Er aber meinte, das Thema sei zu kontrovers und die Universität müsse neutral bleiben. Irgendwie hatte ich seine Reaktion schon geahnt, als ich seinen Suni-Bart gesehen hatte. Also ging ich zum Vizekanzler. Leider war dort das Ergebnis das Gleiche.

 

Doch ich hatte bereits 2000 Leute über die Aktion informiert, selbst das Datum stand fest. Es gab kein Zurück mehr. Also entschied ich, das Ganze unter dem Banner des »Forums engagierter Studenten« laufen zu lassen. Die Straße war nicht das Eigentum der Universität und wir würden auf der Straße demonstrieren. Nun konzentrierte ich mich verstärkt auf die Organisation. Doch die Uni-versitätsleitung verweigerte uns weiter ihre Einwilligung, so dass wir unsere Plakate nicht benutzen konnten. Einige meiner Slogans von damals waren:

 

 

—  Wohin treibt unser Land? Wo ist das Lalon-Lied? 

 

— Der alte Aasgeier hat unser Land im Griff, wer wird es retten?

 

— Die Saite der Ektara ist entzwei. Zerrissen ist das Fell der Trommel.

 

— Unsere Stimme ist unter dem Gebrüll der islamischen »Naraya Takbir«  verstummt.

  

 

— Wo sind Hason, Lalon, Karim. Wo ist Khodabox Sai?

 

— Die Hyänen, die Geier tanzen um unsere verfaulten Kadaver.

 

 

Zu dieser Zeit war die islamistische Organisation Hizb ut-Tahrir an der Universität noch in ihren Anfängen, einige Lehrer hatten sich bereits angeschlossen. Drohungen gegen mein Leben wurden für mich alltäglich und die Islamisten drohten uns sogar mit Bombenanschlägen. Ich erwiderte, das sei ok, aber sie sollten nicht vergessen, dass sie dafür den Kopf hinhalten müssten, wenn jemand anderes als ich verwundet werden würde.

 

Einen Tag vor der Menschenkette erhielt ich eine Warnung. Ich behielt sie für mich. Ich wusste ja, bellende Hunde und so weiter. Inzwischen organisierte ich die Menschenkette mit 60 bis 70 Studenten und führte sie erfolgreich durch. Die meisten Studenten mieden die Demonstrationen, da sie derartige Aktionen an den -Privatuniversitäten noch nicht gewohnt waren. Der Anführer der Hizb ut-Tahrir auf unserem Campus machte mir eine sarkastische Gratulation. Und zu allem Übel gehörte der Dozent einer meiner Seminare zu dieser Gruppe. Er griff mich im Unterricht sogar persönlich an. Deshalb mied ich danach seinen Unterricht und gab am Ende das Seminar ganz auf.

 

Ich erhielt einen Anruf. Eine »Organisation für kulturelles Bewusstsein« wolle mich treffen, um ihr Anliegen in Studentenkreisen bekannt zu machen. Zu meiner Überraschung fand ich heraus, dass auch Große Schwester Anusheh, Große Schwester Sumi, Großer Bruder Suboti, Großer Bruder Topu und andere dazu gehörten.

 

Gemeinsam zogen wir über den Campus und sangen D.L.Roys Meisterwerk »dhono dhanno pushpo vora« (Wohlstand, Nahrung, Blumen). Während unsere Anführer redeten, näherten sich einige Mitglieder von Hizb ut-Tahrir und versuchten, gezielt Chaos zu verbreiten. Uns, den Studenten der Universität, gelang es irgendwie, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Ehe sie den Campus verließen, luden uns unsere neuen Freunde ein, der Hauptorganisation der Bewegung, der mit der Kunsthochschule verbundenen Charukola, beizutreten. Ich sagte zu und nach und nach schlossen wir uns ihnen an.

 

Wir arbeiteten Tag für Tag und Nacht für Nacht zusammen und so entwickelte sich zwischen uns eine unglaublich emotionale Beziehung. Nach einiger Zeit änderten wir den Namen unserer Organisation und nannten uns von nun an »Die Bewegung der Banglakultur.« Das war ein einzigartiger, tief berührender Moment. In der Folge dauerten unsere Demonstrationen täglich länger an und wurden stärker.

 

Die uneingeschränkte Zuneigung und die starke Leitung von Bruder Subroto, Bruder Topus unwiderstehliche Stimme, Bruder Kafils pure Emotion, die elektrisierenden Lieder von Schwester Anusheh, Schwester Krishnokoli, Bruder Rahi und Bruder Maksud waren nie versiegende Quellen der Inspiration. Wir, die Studenten von sechs privaten Universitäten, waren mit dieser Bewegung verbunden. Eines Tages organisierten wir, die Studenten, ein umfangreiches Programm im offenen Audito-rium Dhanmondi Robindro Ssorobor. Als wir die Veranstaltung erfolgreich beendet hatten, waren wir überglücklich.

 

Die Regierung jedoch ging auf unsere Forderung, unseren sehnlichsten Wunsch nicht ein und zerstörte die Lalon-Skulptur. Jedes Teil der Skulptur wurde einzeln weggetragen, was uns das Herz zerbrach. In der Zwischenzeit fiel unsere Bewegung aufgrund der inneren Streitigkeiten unter den Arbeitern auseinander. Ein bedeutendes Projekt löste sich vor unseren Augen in nichts auf. Der pakistanische Spion Numani, dessen Hauptaufgabe es war, Unruhen im ganzen Land anzuzetteln, hatte uns besiegt.  

 

Allmählich verstummte der Lärm im Bokultola, dem historischen Garten der Akademie. Die Lieder von Kartik oder Konok erklangen nicht mehr. Unvermeidlich begann auf diesem aufgewühl-ten Boden wieder das Gras zu wachsen.

 

Unsere Seufzer aber blieben!

 

 

Aus dem Englischen von Karin Clark

 

 

Mahmudul Haque Munshi, geboren 1987, ist ein -Blogger und Onlineaktivist aus Bang-ladesch. Er kämpft gegen -religiösen Fundamentalismus und unterstützt als Aktivist die Rechte von Minderheiten und Indigenen. 2013 rief er die -»Shahbag-Bewegung« ins Leben, die ein Verbot religiöser Parteien forderte. Fünf seiner Ko-Blogger wurden von Islamisten getötet oder erhielten Todesdrohungen.