Der Fünfjahresplan

Laurenz Leky, neuer Chef am Theater am Bauturm, will kritisches,

lokales Theater mit Liebe machen

There is a new man in town: Laurenz Leky. Der 38-jährige Schauspieler übernimmt ab sofort die Leitung des Theater im Bauturm. Leky folgt damit Gerhardt Haag, der sich in den Ruhestand verabschiedet, dem Haus aber als Schauspieler und Leiter des »Afri-co-logne«-Festivals erhalten bleibt. Wir sprachen mit dem Chef darüber, was er umgekrempeln will und was bleiben wird.

 

Herr Leky, wie haben Sie Ihren Weg zum Theater gefunden?

 

Ich komme aus Lindenthal und habe auf dem musisch ausgerichteten Sülzer Schiller-Gymnasium erste Erfahrungen mit Kabarett und in der Schultheaterwoche gemacht. Im dortigen Theaterkeller zu spielen, wenn der Saal voll war, schuf eine intensive Kommunikation mit Zuschauern und Darstellern. Wer als Schüler mitmachte, bekam zudem Freikarten fürs Theater. So bin ich mit 14 zum ersten Mal im Theater im Bauturm gewesen und habe dort »Kunst« von Yasmina Reza gesehen. Aber auch »Die Räuber« in der Inszenierung von Torsten Fischer am Stadttheater waren eine Initialzündung.

 

Wie wichtig war es für Sie, Köln nach der Schulzeit den Rücken zu kehren?

 

Ich musste raus aus dem Sumpf dieser Stadt, wo man alle schon kannte und von Familie und Freunden immer aufgefangen wurde, um nichts richtig kämpfen musste. Ich habe in Salzburg ein Schauspielstudium abgeschlossen und neun Jahre an Stadttheatern gearbeitet. Aber ich habe die Arbeit häufig als sehr unfrei erlebt. Die Lust an der Improvisation, der direkte Austausch mit dem Publikum fand für meinen Geschmack viel zu wenig statt. 

 

Wie gelang der Ausstieg?

 

Ich war damals in Osnabrück am Theater und habe die Sommerpause genutzt, um nach Afrika zu reisen. In Uganda, am National Theatre in Kampala bekam ich die Gelegenheit, erstmals Regie zu führen und ein Stück mit einheimischen Schauspielern zu entwickeln. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, der super erfrischend war. Damals habe ich mir gesagt, die Welt ist größer als die Kantine des Osnabrücker Stadttheaters und habe gekündigt. In England habe ich meinen Master in »Peace Studies« gemacht. Ich hatte den Schwerpunkt Afrika und bin nach dem Studium in den Kongo gereist, wo ich Theater als Mittel der Konfliktlösung gemacht habe. Danach habe ich als Journalist gearbeitet und Gerhardt Haag vom Theater im Bauturm interviewt. Über unsere gemeinsame Liebe zum afrikanischen Theater kamen wir zusammen und mir wurde eine Assistenzstelle angeboten.

 

War das der Grund nach Köln zurückzukehren?

 

Ich war in den verschiedensten Ländern unterwegs. Ich hatte aber immer die Hoffnung, wenn ich mal Kinder habe, wieder in Köln wohnen zu können. Der Entschluss, ein Theater zu übernehmen und örtlich gebunden zu sein, hat also viel mit Köln zu tun. Mit meinem Dramaturgen René Michaelsen, den ich aus der Schulzeit hier kenne, am Bauturm zu arbeiten, hat mich dazu enorm gereizt. Wir kennen und lieben diese Stadt, sind hier sozialisiert. Wir haben ein Gefühl für die Menschen, kennen Köln und seine Geschichten. Das ist ein Schatz, den wir heben wollen.

 

Wie soll das konkret aussehen?

 

Wir werden zum Beispiel einmal im Jahr ein Stück zu einem Kölner Thema entwickeln. Die Geschichten liegen auf der Straße, es gilt sie nur umzusetzen. Ich habe das Gefühl, es fehlt eine liebevolle, kritische Auseinandersetzung mit der Stadt, jenseits von simpler Kölschtümelei und kalter Distanz. Eine Liebe zu Köln heißt für mich, sich kritisch mit dem Objekt seiner Liebe auseinanderzusetzen.

 

Zum Neustart: Was ist wichtiger Kontinuität oder eine Vision?

 

Das klingt wie eine typische Politikerantwort, aber ich glaube die Balance zwischen beiden ist wichtig. Das Bauturm hat einen sehr guten Ruf und Strukturen, die sich über Jahre bewährt haben. Es gibt ein großes Repertoire, das wir weiter spielen werden. Natürlich wollen wir mit unsere Vision auch ein neues, jüngeres Publikum ansprechen, hoffen aber, das bisherige Publikum mitnehmen zu können. Wir haben für die nächste Theatersaison zwei Stückentwicklungen, eine Romanadaption und mit Carl Sternheims »Die Hose« nur einen Klassiker. Das ist neu. Wir verstehen diesen Raum etwas anders. Wir werden eher mit kleinen, schlagkräftigen Besetzungen und reduzierten Bühnenbildern arbeiten. Uns liegt daran, diesen Bühnenraum nicht mit Kulissen zuzubauen, sondern im besten Sinne »armes Theater« zu machen. Große Materialschlachten können die städtischen Bühnen besser.

 

Neben René Michaelsen haben Sie sich noch Bernd Schlenkrich in das Leitungsteam geholt. Wie kam es zu diesem Triumvirat?

 

Bernd Schlenkrich kenne ich aus Leipzig von gemeinsamer Arbeit am Theater, später haben wir uns in München wiedergetroffen. Daraus ist im Laufe der Jahre eine Freundschaft entstanden. Bernd hat als Regisseur angefangen, sich dann aber auf die geschäftlichen Aspekte des Theaters spezialisiert. Er kennt die künstlerische Seite und das Management. Für unsere Arbeit ist das die richtige Mischung. Wir werden alle drei auch als Künstler in Erscheinung treten. René wird als Dramaturg genauso spielen wie ich,  Bernd als Geschäftsführer wird auch inszenieren. Ich glaube, in dieser Kombination ist das selten.

 

Welche Regisseure werden in der neuen Spielzeit kommen?

 

Thomas Ulrich, der Sternheims »Die Hose« inszenieren wird, hat bereits öfters erfolgreich im Bauturm gearbeitet und zuletzt bei »Bunbury« Regie geführt. Dorothea Schröder, Nina Gühlstorff und Jan-Christoph Gockel sind alle drei Regisseure, die sonst auch an städtischen Theatern in Bochum, Mannheim oder Mainz arbeiten. Wir teilen mit ihnen die Leidenschaft, an einem Privattheater wie dem Bauturm Stücke und Stoffe mit einer Freiheit inszenieren zu können, die am Stadttheater kaum möglich ist. 

 

Was für Themen bringen sie mit?

 

Dorothea Schröder wird das Thema Migration in einer Adaption von Alen Meskovics »Ukulele Jam« aus sehr jugendlicher Perspektive und mit bewusst gewählter zeitlicher Distanz umsetzten. Nina Gühlstorff erarbeitet mit uns das dokumentarische Stück »Petermann!«, in dem sich Kölner Stadtgeschichte spezifisch und universal auf unterhaltsame Weise spiegeln wird. Und Jan-Christoph Gockel setzt mit dem weltweiten Problem Plastik in »Der siebte Kontinent — Reise zur größten Mülldeponie der Erde« ein globales Thema um.

 

Haben Sie sich einen zeitlichen -Rahmen für Ihre Tätigkeit im Bauturm gesetzt?

 

Fünf Jahre sollten es mindestens werden, um eine Handschrift erkennbar zu machen. Danach sehen wir weiter.