Der aristokratische Grüne

Die Bonner Ausstellung »Parkomanie« inszeniert die Gartenkunst

des exzentrischen Fürsten Hermann von Pückler-Muskau

Sein Frauenverschleiß ist immens. Schon als pubertierender Lehrerschreck legt er die ein und andere flach. Später, als Studienabbrecher und junger Gardeleutnant, bezirzt er die Damen, indem er mit einem Vierspänner aus weißen Hirschen — dem Porsche der damaligen Zeit — vor dem Café Kranzler in Berlin vorfährt. Zahlreiche Duelle, die ihm seine erotischen Eskapaden einbrocken, überlebt er knapp. Im Jahr seiner Heirat, 1817, kann er sich zunächst nicht zwischen der neun Jahre älteren Lucie, einer geborenen von Hardenberg, und deren Töchtern aus früheren Beziehungen entscheiden. Mit Lucie, die es schließlich wird, verbindet Hermann von Pückler-Muskau die große Leidenschaft des Gartenbaus. Das hat Folgen.

 

Nach der Übernahme seiner Standesherrschaft in Muskau (Oberlausitz, nahe der polnischen Grenze) steht für beide fest: Der zum Anwesen gehörende Park soll ausgebaut werden. Dafür brauchen sie Geld, viel Geld. Das Paar greift zu einer List: 1826 lässt es sich im Einvernehmen scheiden. Pückler soll sich in England nach einer lukrativen Gemahlin umsehen. Drei Jahre dauert diese Reise, von der er fast täglich flammende Briefe an seine geliebte Schnucke (Lucie) schreibt, mit pikanten Details über seine Affären und die britische High Society. Schließlich anonym publiziert unter dem Titel »Briefe eines Verstorbenen« erobern sie 1832 den Markt. 

 

Hatte England auch nicht die erhoffte Braut für Pückler gebracht, so doch etwas Wegweisendes: die Entdeckung von über siebzig für Kontinentaleuropa »vorbildlichen« Parkanlagen. Mit den Einnahmen aus seinem Bestseller und diesem Wissen macht sich der Autodidakt — stets unterstützt von seiner Lucie, mit der er bis zu deren Tod 1854 die fürstlichen Gemächer teilt — daran, Muskau in einen 830 Hektar großen Park zu verwandeln. Das Land und die Bäume luchst er seinen Untertanen ab, indem er ihnen verspricht, der Park würde am Ende öffentlich zugängig sein. Eine für einen Aristokraten ungeheuer demokratische Ankündigung. 50.000 Bäume, die er zum Teil selber züchtet, lässt er (ver-)pflanzen, ein kilometerlanges Wegenetz, Wasserläufe und weite Sichtachsen anlegen. Dazu den sogenannten »pleasure ground«, der als Salon unter freiem Himmel dem Lustwandeln diente und mit Blumenbeeten, Rosenlaube, Skulpturenschmuck und exotischen Reisemitbringseln dekoriert war. 

 

Zwei weitere Großprojekte sollten folgen: die Gestaltung der Parkanlage des damaligen Prinzen und späteren Kaisers Wilhelm I in dessen Sommerresidenz Babelsberg sowie Schloss Branitz bei Cottbus, dem Spätwerk und zugleich Altersruhesitz des Fürsten. Dieser letzte Park, der aus einer »Wüste« (Pückler) die schillerndste seiner Oasen machte, bündelt die vielfältigen Erfahrungen und Erinnerungen, die der Weitgereiste von einem sechsjährigen Aufenthalt im Orient mitgebracht hat. Er setzt sich damit selbst ein Denkmal, das ihn nach seinem Tod im Februar 1871 unsterblich macht. Einem Pharao gleich liegt Pücker hier in einer Pyramide begraben — ein militärgeschulter »Liberaler«, Pantheist, Autor, Fernreisender und unverbesserlicher Exzentriker, der von sich selbst behauptete: »Wer mich ganz kennenlernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz.«

 

Die Bonner Bundeskunsthalle hat den »grünen Fürsten« nun wieder ausgebuddelt. In der Ausstellung »Parkomanie« sind erstmals zahlreiche Dokumente und Details aus Pücklers Leben zu sehen. Lithografien, 3-D-Bilder, Filme und Luftaufnahmen geben Einblick in seine großartigen Parklandschaften, die heute zu den bedeutendsten Zeugnissen europäischer Gartenkunst des 19. Jahrhunderts zählen (Muskau und Babelsberg sind UNESCO-Weltkulturerbe). Ergänzend veranschaulichen Raum- und Tischdekorationen, extravagante Dessert-Ideen (»Kaiser-Wilhelm-Bombe«) oder das »Musterbuch mit Bonbon-Papieren aus dem Nachlass des letzten preußischen Hofkonditors« nicht nur die fürstliche Vorliebe für exquisiten Zuckerkram, sondern auch ein Stück Kulturgeschichte.

 

Den Garten begriff Pückler als begehbare Bildergalerie, in der der Mensch einer zum Kunstwerk idealisierten Natur begegnet. Von der Lust im Freien zu sein handelt auch jener Teil der Ausstellung, der über Monate gewachsen ist: Der nach Pücklers Gestaltungsprinzipien neu bepflanzte Dachgarten der Bundeskunsthalle. Hier kann man zwischen Blutbuchen, Eichen, Espen, Robinien flanieren, vorbei an Rosenlaube, Wasserbassin und Pücklerschen Törtchenbeeten. Oder in der Nachbildung des Muskauer »pleasure ground« chillen und die Zeit vergessen. Sommerferien, damals. Dreifarbiges Fürst-Pückler-Eis. Das bekommt man dieser Tage im Museumscafé. 

 

Bundeskunsthalle, Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4 (Museumsmeile), Di+Mi 10–21, Do–So 10–19, 

feiertags 10–19, bis 18.9. Ein Katalog ist im Prestel Verlag erschienen, 39,95 Euro