Immer besser streiten

Ein Rückblick auf die Pluriversale IV der Akademie der Künste der Welt

 

Man lernt nie aus. Sie sei ja »auch nur ein Mensch«, bemerkte ein russischer Spätaussiedler über die deutsche, aus der Türkei stammende Bloggerin Kübra Gümüsay, nachdem sie ein Foto ihres Erstgeborenen gepostet hatte. Danach stellte er seine Morddrohungen gegen sie ein. 

 

Gümüsay war eine Referentin des Symposions über »Nord-afrikanische Männer, deutsche Frauen«, mit dem die vierte Pluriversale auf die Ereignisse und Folgen der Kölner Silvesternacht reagierte. Zum ersten Mal fokussierte damit ein Programm der Akademie der Künste der Welt konkreter auf Kölner Verhältnisse. Und eröffnete zugleich einen weiter gesteckten historischen Rahmen für die Vorfälle der Jahreswende: das wenig untersuchte Erbe des deutschen Kolonialismus, das auch in Köln zahlreiche Spuren hinterlassen hat. 

 

Gleich mehrere Veranstaltungen behandelten die aktuelle Debatte zur deutschen Migrationspolitik »nach Köln« mitsamt ihren teils rassistischen und sexistischen Zügen. Der hohe Diskussionsbedarf zeigte sich am meist gut gefüllten Academyspace. Die oft emotional geführten Gespräche zeigten auch den Verständigungsbedarf darüber, wie diese Debatte nicht ausschließend und nicht diskriminierend geführt werden kann: eine »Lehrstunde für uns alle«, wie ein Gast am Ende der Veranstaltung »Wie kolonial ist die Willkommenskultur?« feststellte. 

 

Dass eine Kritik an Rassismus und Sexismus auch satirekompatibel sein kann, bewiesen vor allem die künstlerischen Beiträge zur Pluriversale IV: Zum Beispiel der Auftritt des »Gospel-Porn«-Duos FOKN Bois, das die Klischeevorstellung des chronisch lüsternen afrikanischen Mannes schon im Bandnamen ironisch überaffirmiert. Der US-amerikanische »Gentleman-Forscher« und Produzent Christopher Kirkley lenkte den Blick auf die Musikszene der Sahel-Zone. Sein Low-Budget-Remake von »Purple Rain« erzählte von der utopischen Hoffnung, dass der tranceartige Desert Blues nicht nur Beziehungen retten, sondern sogar religiöse Konflikte überwinden kann.

 

Der kaleidoskopartige Pluriversale-Mix aus unterschiedlichen Formaten — Ausstellung, Oper, Filmdreh, Konzert, offene Gespräche —, die immer wieder neue Facetten des zentralen Themas zum Vorschein bringen, hat sich bewährt. Und falls ein Streitgespräch über den Unterschied zwischen hierarchischer und asymmetrischer Flüchtlingshilfe für einen fortgeschrittenen Abend mal zu »akademisch« sein sollte, findet man auf der Homepage ein Videoarchiv der gesamten Saison zur nachträglichen Sichtung.

 

Die anfängliche Kritik, die Akademie der Künste der Welt sei »noch nicht in Köln angekommen«, hat die Pluriversale IV faktisch widerlegt. Auch wenn man den Refrain noch öfter hören wird — sein Sound klingt etwas provinziell. Hatte doch die überregionale Qualitätspresse »diesen Laden« schon zu seiner Eröffnung als den »spannendsten Ort Deutschlands« identifiziert (SZ vom 30.10.2012). Darüber, dass der Akademie in nächster Zeit die brennenden Fragen ausgehen könnten, muss man sich jedenfalls keine Sorgen machen. 

 

Die nächste Pluriversale beginnt am 2.9. und führt das Thema Migration fort.

Info und Archiv: academycologne.org