Foto: Manfred Wegener

Unerwartet viel Geld

In der letzten Ratssitzung vor den Ferien sorgte trotz Haushaltsdebatte nur der WDR für Aufregung

Was immer man von einer großen Koalition hält – für spannende Sitzungen sorgt sie nicht. Selbst die Haushaltsdebatte, traditionell die Gelegenheit für einen Schlagabtausch zwischen Ratsmehrheit und Opposition, schaffte es nicht, Schwung in die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause am 5. Juli zu bringen. Vielleicht wirkte auch die Tagesordnung zusätzlich ermüdend: Über hundert Punkte galt es abzuhaken. Obwohl die Sitzung auf halb drei am Nachmittag vorverlegt worden war, fürchtete OB Fritz Schramma (CDU), der traditionelle Kölschumtrunk im Anschluss könne zum »Frühschoppen« werden.

Haushaltsreden wie abgelesene Wahlkampfprogramme

Das schien auch der Opposition den Elan zu rauben. Zunächst wurde der Sozialdemokrat Guido Kahlen, bisher noch Mitarbeiter der Bonner Oberbürgermeisterin, zum neuen Schuldezernenten gewählt; er tritt im Dezember die Nachfolge von Franz-Josef Schulte an. Dann kamen die Haushaltsreden. Ihnen allen war gemein, dass sie sich wie abgelesene Wahlkampfprogramme anhörten. Rhetorisch matt, kaum akzentuierte Kritik an der Sparliste. Hatte Schwarz-Rot alles richtig gemacht? Wohl eher Glück gehabt: Es gab einen unverhofften Geldsegen für Stadtkämmerer Peter-Michael Soénius (CDU). Zwar steht Köln nach wie vor unter einem rigiden Haushaltssicherungskonzept (HSK), aber es hätte schlimmer kommen können. Die Gewerbesteuereinnahmen sowie der Verkauf von RWE-Aktien aus dem Besitz der GEW Köln brachten mehr Geld als erwartet, und die Hartz-IV-Regelungen schonen die Stadtkasse zusätzlich.

Sparmaßnahmen nach dem Rasenmäher-Prinzip

Hartz IV war auch das Stichwort für rund 30 Demonstranten am Eingang zum Rat (siehe auch Seite 16). Deren Anliegen vertrat allerdings Jörg Detjen im Rat weitaus lautstärker als die Protestierer selbst. Der Sprecher der PDS-Gruppe warf der CDU/ SPD-Mehrheit erneut vor, bei ihren Sparmaßnahmen »das Rasenmäher-Prinzip anzuwenden« statt Schwerpunkte zu setzen. Über 20 Millionen Euro, so Detjen, fehlten für Suchtberatung, psychosoziale Betreuung und Schuldner hilfe für Ein-Euro-Jobber – dies sei »nicht nur unsozial«, sondern auch »zerstörerisch gegenüber der Finanzpolitik der Stadt«, da viele Menschen so nie mehr arbeitsfähig würden. »Ihr Rasenmäher ist scharf und dumm zugleich«, rief Detjen CDU und SPD zu.

WDR-Film sorgt für die meiste Aufregung

Die Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz befürwortete zwar auch einen Mobilitätspass für
alle Arbeitslosengeld-II-Empfänger, plädierte ansonsten aber mit recht wenig Verve für mehr Einfluss der Bezirksvertretungen und einen Bürgerhaushalt. Ralph Sterck (FDP) versuchte hingegen seine Rede mit Bläck-Fööss-Texten und Leserbrief-Zitaten zu befeuern und erging sich ansonsten in einem reichlich verklärten Rückblick auf die Zeit, als die FDP in Köln noch was zu sagen hatte.
So sorgte ein finanzpolitisches Thema für die meiste Aufregung in den Kantinen- und Flurgesprächen, das in der Sitzung offiziell gar nicht behandelt wurde: der am Vorabend ausgestrahlte WDR-Film »Milliarden-Monopoly«. Der Beitrag wirft der Stadt vor, sie hätte 360 Millionen Euro sparen können, wenn sie die Nord-Erweiterung der Kölner Messe mit Kommunalkrediten finanziert hätte, anstatt den privaten Oppenheim-Esch-Fonds, dessen Geschäftsführer der ehemalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier ist, als Investor zu beteiligen (siehe auch den Text des WDR-Autors Georg Wellmann zum Thema in der StadtRevue 9/2004).

Eilig kopierte Erklärung von Schramma

Ein Antrag der rechtsextremen Fraktion Pro Köln, die Vorwürfe im Rat zu erörtern, wurde abgewiesen. Fast schon unter der Hand verteilte Schrammas Pressesprecher Ulrich Höver eine eilig kopierte Erklärung des OB an die Journalisten: Zu einem »späteren Zeitpunkt« werde er sich »natürlich den Beitrag ansehen«, außerdem habe er die zuständigen Dienststellen angewiesen, »den Vorwürfen nachzugehen und eine Stellungnahme zu fertigen«. Einen Kredit in der erforderlichen Höhe aufzunehmen, sei im Übrigen haushaltsrechtlich gar nicht möglich gewesen.

Bezirksvorsteher heißen künftig Bezirksbürgermeister

Das Thema wird Rat und Verwaltung weiter beschäftigen – inzwischen hat der Regierungspräsident die Stadt aufgefordert, die Vorwürfe zu klären. Als die Ratsmitglieder gegen 23 Uhr beim Kölsch zusammen standen, war aber auch die Aufregung über den WDR-Beitrag erst einmal wieder verraucht.
Gegen Ende der Sitzung hatte es noch eine harmonische Entscheidung gegeben, der nicht nur die große Koalition, sondern auch die Opposition ganz überwiegend zustimmen konnte: Die Kölner Bezirksvorsteher heißen künftig Bezirksbürgermeister.